Pillen statt Grillen Sarah Sonntag, 02.06.2019 08:48 Uhr
Endlich ist das lang ersehnte Sommerwetter da: Kurze Hosen, Tops und Flip-Flops soweit das Auge reicht. Der Sonnenschein und die warmen Temperaturen sorgen bei Vielen für gute Laune. Nur Sarah Sonntag ist frustriert: Statt mit ihrer Familie den Sonntag bei schönstem Wetter genießen zu können, hat sie den Notdienst der kranken Kollegin aufgebrummt bekommen.
„Was für ein herrliches Wetter!“, seufzt Fantaschale Max. Er hat es sich auf dem HV-Tisch gemütlich gemacht und hält sein Gesicht in die durch das Schaufenster scheinende Sonne. „Mhm“, brummt Sarah und schmeißt die Kaffeemaschine erneut in Gang. „Wunderschön“, entgegnet sie zynisch. „Nun sei doch nicht so mies drauf. Sabine kann sich bestimmt auch besseres vorstellen, als bei dem Wetter über der Toilette zu hängen“, argumentiert Max. „Außerdem bin ich froh, dass du mit mir hier bist. Falls Rezepturen anstehen, ist sie nicht grade meine erste Wahl“, sagt er und reibt sich schmerzend die Seite. Sarah muss grinsen. „Na siehst du, geht doch!“, lacht Max zufrieden.
„Ich bin ja nur so frustriert, weil die ganze Familie heute zusammensitzt“, erklärt Sarah traurig. Selbst ihre Tochter mit den Enkelkindern von weiter weg ist vorbeigekommen, um gemeinsam das schöne Wetter zu nutzen. Eigentlich stand Sarah heute nicht im Plan. Zuhause liefen bereits die Vorbereitungen für das Familien-Grillen. Nun musste sie kurzfristig einspringen, weil ihre Kollegin mit einem Magen-Darm-Virus flach liegt. „Du weißt, dass ich damit eigentlich kein Problem habe. Ich hatte mich nur schon so gefreut auch die Kleinen mal wiederzusehen.“ Max versteht und nickt verständnisvoll.
Sarah beobachtet das Geschehen aus dem Schaufenster heraus: Fröhliche Menschen, die auf dem Weg in die Stadt sind. Viele von ihnen mit Sonnenbrillen und einem Eis in der Hand. Plötzlich ein bekanntes Gesicht: Frau Schröder kommt auf die Klappe zu und macht einen zerknirschten Gesichtsausdruck. „Hallo Frau Schröder, genießen sie das schöne Wetter?“ Ihre Mimik verrät jedoch, dass es nicht so ist. „Wenn ich das nur könnte“, entgegnet sie. Frau Schröder leidet bei starken Wetterumschwüngen immer unter Migräne. „Manchmal kann ich bei schönstem Sonnenschein nicht das Haus verlassen“, sagt sie traurig. „Ich war die Woche schon vorsorglich beim Arzt und habe mir meine Tabletten verschreiben lassen.“ Sarah nimmt das Rezept entgegen und holt ihr das Medikament aus der Schublade.
Kaum ist Frau Schröder weg, kommt die nächste Stammkundin an der Klappe vorbei. Die bekannten Gesichter lassen Sarah kurz ihren Frust über den eingeschobenen Notdienst vergessen. Frau Schmitt kommt kurzatmig um die Ecke und muss erst einmal verschnaufen, bevor sie einen Ton rausbekommt. Sarah bietet ihr ein Glas Wasser an, welches sie dankend annimmt. Als Sarah kurze Zeit später zurück ist, ringt Frau Schmitt immer noch nach Luft. Sie ist bekannte COPD-Patientin und holt regelmäßig ihre Medikamente in der Apotheke. Daher weiß Sarah, was ihr fehlt.
„Das Wetter ist nicht gut für ihre Luft oder?“, fragt sie sanft. Frau Schmitt schüttelt den Kopf. „Wissen Sie, diese schwüle, warme Luft lässt mich noch schlechter atmen.“ Die Arme ist sichtlich kaputt. „Kann ich irgendetwas für sie tun?“, fragt Sarah. Doch Frau Schmitt verneint. Sie ist lediglich auf dem Heimweg und hat an der geöffneten Klappe einen Zwischenstopp im Schatten gemacht. „Sie haben mir mit dem Wasser und ihren netten Worten schon sehr geholfen Frau Sonntag, vielen Dank!“, lächelt Frau Schmitt. „Ach, doch nicht dafür“, winkt Sarah ab.
Sarah holt sich ihre eisgekühlte Limonade aus dem Kühlschrank und nimmt einen großen Schluck. „Siehst du, es gibt noch Menschen, denen es bei dem schönen Wetter viel schlechter geht als uns“, sagt Max. „Das habe ich auch eben gedacht, ich fühle mich fast ein wenig schlecht, weil ich mich so angestellt habe“, seufzt Sarah. „Meckern auf hohem Niveau“, lacht Max. „Pass du lieber auf, dass du keinen Sonnenbrand bekommst. Bist du überhaupt eingecremt?“, fragt Sarah. „Na klar, Sabine hat mich gespült, da bleibt immer was hängen“, zwinkert Max und grinst.