Recklinghausen

Pikrinsäure: Apotheke legt Polizeiwache lahm

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Berlin -

Die Entsorgung von Pikrinsäure sorgt in Apotheken immer wieder für Feuerwehreinsätze. Ein Apotheker aus Recklinghausen wollte die getrocknete Substanz bei der Stadt entfernen lassen, sein Angestellter wurde mit dem Gefäß zur Polizei geschickt. Dort löste er einen Großeinsatz aus. Der Mitarbeiter könnte sich wegen des Transports der Substanz sogar strafbar gemacht haben.

Pikrinsäure gerät in Apotheken häufig in Vergessenheit und wird beim Aufräumen entdeckt. Wird feste Substanz im Labor gefunden, sollte diese von Experten vernichtet werden. Immer wieder kommt es bei der Entsorgung der Chemikalie zu Einsätzen von Feuerwehr oder Landeskriminalamt (LKA). Ein Recklinghäuser Apotheker beauftragte einen Angestellten, ein Plastikgefäß mit Pikrinsäure zu entsorgen.

Der Mann probierte es am Donnerstag zunächst bei der örtlichen Entsorgung der Stadt. Dort wurde er jedoch weggeschickt und an die Polizei verwiesen. Als er gegen 14 Uhr mit dem in einem Styroporgefäß verstauten Behälter auf der Wache ankam, wurde Alarm ausgelöst. Die Polizei rief wegen des explosionsgefährlichen Stoffes die Feuerwehr. Insgesamt rückten mindestens 25 Einsatzkräfte an. Auch das LKA sowie Fachberater des Transport-Unfall-Informations- und Hilfeleistungssystems der chemischen Industrie (TUIS) und der Hersteller wurden informiert.

Die Wache wurde geräumt und wie die angrenzenden Räume evakuiert. „Ich glaube nicht, dass sich der Angestellte der Gefahr bewusst war“, sagt ein Feuerwehrsprecher. Das LKA verflüssigte die Substanz wieder. Kurz vor 18 Uhr sei die Gefahr gebannt gewesen und der gesperrte Gefahrenbereich an der Polizeiwache wurde wieder freigegeben. Dem Apothekenmitarbeiter droht möglicherweise ein Ermittlungsverfahren. „Es wird geprüft, ob der Transport der Säure eine Straftat darstellt“, so ein Polizeisprecher.

Erst im Mai wurde im niederbayerischen Eging am See ein Fläschchen mit kristallisierter Pikrinsäure gefunden und der Betrieb evakuiert. Der Verschluss des 50-Milliliter-Fläschchens war brüchig geworden. So war die Flüssigkeit verdunstet und der Inhalt kristallisiert. Anfang des Jahres löste der Fund von Pikrinsäure in der Berliner Friedrichshainer Mirbach-Apotheke einen Großalarm aus. Der Betrieb wurde für zwei Stunden abgeriegelt.

Apotheken können selbst entscheiden, ob sie ihren Vorrat an Pikrinsäure behalten oder vernichten. Bis vor wenigen Jahren musste jede Apotheke Pikrinsäure in ihrem Reagenziensatz bereithalten. Als Chemikalie wird sie unter anderem zur Identitätsprüfung von Benzylpenicillin oder auch Chloroquin verwendet. Die starke Säure bildet mit vielen Stoffen Salze.

Diese Pikrate sind meist stark gefärbt und können im Reagenzglas leicht erkannt werden. Durch die Änderung der Apothekenbetriebsordnung ist die Bevorratung mit der Substanz nicht mehr vorgeschrieben. 2,4,6-Trinitrophenol (TNP) wurde im 18. Jahrhundert entdeckt und anfänglich zur Gelbfärbung von Seide benutzt. Auch Backwaren und Bier wurden zeitweise mit Pikrinsäure gefärbt – mit unangenehmen Folgen für den Konsumenten. Aufgrund der Giftwirkung verschwand die Säure schnell wieder aus den Backstuben, nicht jedoch aus den Apotheken.

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