Interview Prof. Dr. Theo Dingermann

Erstsemester – damals und heute

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Berlin -

Im April ist es wieder losgegangen: Zum Sommersemester wurden laut Stiftung Hochschulstart 871 Studienplätze unter 1744 Bewerbern verteilt. Was die Erstsemester heute im Pharmaziestudium erwartet und wie sich die Studienanfänger mit der Zeit verändert haben, berichtet Seniorprofessor Dr. Theo Dingermann, langjähriger Vorsitzender des Lehr- und Studienausschusses an der Goethe-Universität Frankfurt.

ADHOC: Was kommt heutzutage auf die Erstsemester zu, was hat sie vor 25 Jahren erwartet?
DINGERMANN: Inhaltlich hat sich das erste Semester nicht dramatisch geändert. Aber die Studierenden sind anders: Während es damals noch ein „klassisches Abitur“ gab, wählt nun jeder unterschiedliche Leistungskurse. Erstsemester kommen daher mit ganz verschiedenen Wissensständen zu uns. Dadurch haben wir eine sehr heterogene Studentenschaft, die beispielsweise unterschiedlich gute Chemiekenntnisse hat. Es ist die große Herausforderung der Lehrenden, die Studenten im ersten Semester auf ein einheitliches Level zu bringen. Und das, ohne dass sich ein Teil langweilt, während man den anderen überfordert und damit intellektuell verliert.

ADHOC: Was erwartet die Frankfurter Studienanfänger?
DINGERMANN: Im ersten Semester geht es nach wie vor darum, Grundwissen anzulegen. In Frankfurt gibt es etwa einen Einführungskurs für Laborpraktika. Kurz gesagt, es geht darum, den Studenten beizubringen, wie sie im Labor mit Chemikalien hantieren, ohne sich oder Kommilitonen in Lebensgefahr zu bringen. Der Kurs schließt mit einer Prüfung ab, die unter Studenten als „hart“ gilt. Aber dieses Wissen ist sehr wichtig für die anschließende praktische Ausbildung, die einen bedeutenden Teil des Studiums ausmacht. In den Schulen ist das Experimentieren im Chemieunterricht meist etwas kurz gekommen, auch wenn gute theoretische Grundlagen vermittelt wurden.

ADHOC: Wegen des verkürzten Abiturs werden die Studenten immer jünger. Ist das ein Problem?
DINGERMANN: Es stimmt, einige Studenten im ersten Semester sind noch nicht einmal volljährig und brauchen für alles die Einverständniserklärung ihrer Eltern. Aber ich bin überhaupt nicht gegen G8; eher im Gegenteil. Ob ein Erstsemester nun nach acht oder neun Jahren Gymnasium das Abitur gemacht hat – ich merke keinen Unterschied.

ADHOC: Aber ist man mit 17 Jahren nicht zu jung zum Studieren? Sie waren in Ihrem ersten Semester immerhin schon 24.
DINGERMANN: Ja, aber das nur, weil mein Abi so schlecht war und ich fünf Jahre auf einen Studienplatz warten musste! Ich war also sozusagen selbst Schuld. 17-Jährige sind heute viel erwachsener als in meiner Generation. Gerade die Mädchen sind noch einmal weiter als die Jungen. Da hat sich einiges getan. Wer das Abitur mit 17 besteht, der hat genügend theoretisches Wissen, um ein Studium zu schaffen.

ADHOC: In 25 Jahren gab es auch viele technische Neuerungen. Wie hat das die Lehre verändert?
DINGERMANN: Ganz gewaltig. Inzwischen sitzen die meisten Studenten mit einem Laptop vor der Nase in den Vorlesungen, schreiben auf einem Tablet mit oder fotografieren alles mit dem Smartphone. Für mich ist das kein Problem. Für das Staatsexamen stellen wir den Prüflingen sogar einen PC. Aber die Fragen sind so gestellt, dass sie den auch benötigen, weil sie für die Antworten tagesaktuelle Informationen recherchieren müssen. Das halte ich für eine wichtige Kompetenz, das ist Training fürs wahre Leben als Apotheker. Ich sehe es so: Im Grundstudium sollte den Studenten durchaus Fachwissen beigebracht werden, etwa über Arzneipflanzen. Im Hauptstudium dagegen sollten Techniken vermittelt werden, wie pharmazeutische Probleme gelöst werden können.

ADHOC: Bereitet das Studium heute besser auf den Apothekerberuf vor?
DINGERMANN: Ja, deutlich besser. Es gibt zwar immer wieder Kritik, aber die kommt entweder von Studenten, die noch keine Berufserfahrung haben, oder von gestandenen Apothekern, die gar nicht wirklich wissen, wie das Studium heutzutage aufgebaut ist. Daher fallen diese Kritiken immer recht pauschal aus. Man müsste den Status quo des Pharmaziestudiums und des Berufsalltags erheben, um feststellen zu können, welche Defizite es tatsächlich gibt.

ADHOC: Wie bringen Sie die Offizin ins Studium?
DINGERMANN: Die Apotheke als Arbeitsplatz ist klarer Fokus der Ausbildung. Daher ist vor einigen Jahren beispielsweise das Fach Klinische Pharmazie als Ergänzung ins Curriculum aufgenommen worden. Und der Dialog mit anderen Heilberuflern ist wichtig geworden. Ich glaube, erst mit dem Generationswechsel in der Apotheke wird echte Verständigung zwischen Arzt und Apotheker überhaupt möglich. Denn in der Ausbildung sind Pharmazeuten eher molekular orientiert; Mediziner dagegen physiologisch und pathologisch. In Frankfurt wurde quasi als Bindeglied das Fach „Krankheitslehre“ eingeführt. Ein furchtbarer Name – aber es geht darum, Pharmazeuten beizubringen, sowohl mit Laien als auch mit Fachleuten verständlich zu kommunizieren. Bei mir im Pharmaziestudium spielte Kommunikation noch gar keine Rolle.

ADHOC: Frankfurt führt als einziger Pharmaziestandort vor der Zulassung ein Auswahlgespräch durch. Warum?
DINGERMANN: Dabei geht es uns vor allem darum, von den Bewerbern zwei Dinge herauszufinden: Erstens, wissen sie, was Chemie ist und worauf sie sich mit dem Studium einlassen? Zweitens, sind sie in der Lage, ein Gespräch mit drei Interviewpartnern zu meistern? Denn das zu können, ist unabdingbar: Apotheker ist ein kommunikativer Beruf. Wer während des Gesprächs nur auf seine Schuhe guckt, der ist womöglich in der Wissenschaft sehr gut aufgehoben, aber nicht in einer Beratungssituation. Das machen wir den Kandidaten klar, dann können sie selbst noch einmal ihren Studien- und Berufswunsch überdenken.

ADHOC: Das klingt nach viel Arbeit.
DINGERMANN: Das stimmt, sowohl für uns als auch für die Studienbewerber sind die Interviews ein ziemlicher Aufwand. Wir haben für das Sommersemester 160 Einzelgespräche für 87 Studienplätze geführt. Die Bewerber nehmen lange Anfahrtswege auf sich. Studenten der höheren Semester sind Teil des Interviewteams – und wir hatten bisher nie Probleme, genug Leute aus der Fachschaft zu finden, die dafür freiwillig zwei Tage ihrer Semesterferien opfern. Sie sagen: „Wir hatten damals das besondere Gefühl, dass wir ausgewählt wurden.“

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