Pharmaziegeschichte

Museum sammelt DDR-Medikamente dpa/APOTHEKE ADHOC, 27.07.2014 08:57 Uhr

Berlin - 

Falimint, Titretta und Digitoxin AWD – das waren bekannte Medikamente in der DDR. Das Brandenburgische Apothekenmuseum in Cottbus sammelt sie. Zu sehen sind rund 750 Medikamente in einer Original-Apothekeneinrichtung aus Ostzeiten.

Die Tür öffnet sich, ein strenger Geruch steigt in die Nase. Arzneimittel – Chemie – Zahnarztpraxis. „So roch es früher in DDR-Apotheken“, sagt Museumsmitarbeiterin Sabine Bernert. Der Geruch kommt sehr unterschiedlich an, weiß sie von Besucherführungen.

Museumsleiterin Annette Schiffner bestätigt das: „Ältere Besucher, die in der DDR lebten, sagen: ,Ah, mein altes Fußspray' oder ,so hat's früher in meiner Apotheke gerochen'.“ Und die Jungen? „,Igitt, hier stinkt's'.“ Viele der Präparate seien noch gut erhalten und auch vom Aussehen her noch perfekt. „Eigentlich müsste man die Medikamente mal testen lassen, ob sie auch noch wirksam sind“, sagt Schiffner.

Die Museumsräume sind über drei Gebäude verteilt. Nach Retro sieht es in dem Zimmer im ersten Stock eines Hinterhauses aus. Holzmöbel im 1960er-Look, hinter den Glasscheiben sind hunderte Verpackungen mit Tabletten, Salben und Säften zu sehen. Den Raum im Museum gibt es seit 2005. An der Wand hängt ein beleuchtetes Schild. „Dienstbereitschaft. Bitte klingeln und warten!“

Das kleine Museum ist stolz darauf, die rund 750 Medikamente in einer originalen Apotheken-Inneneinrichtung aus DDR-Zeiten zu präsentieren. „Wir wollen zeigen, dass die Arbeit von Apothekern eine hochwertige und fachlich sehr fundierte war“, sagt Schiffner. Sie schmunzelt, als sie eine Pillenverpackung in die Hand nimmt: „Ich weiß bei einigen Medikamenten sogar noch die Preise auswendig.“ Sie lernte selbst in einer Ost-Apotheke ihr Handwerk.

Gezeigt wird auch eine vergilbte Zeitschrift: „Durch Volksgesundheit zur Leistungssteigerung“. In dieser Ausgabe geht es um „Die Sexualität im Blickfeld des Arztes“. In einer Vitrine ist zu erfahren, dass Darmregulierungs- und Mistel-Perlen „zur Hebung des allgemeinen Wohlbefindens“ gedacht waren.

Was ist das Typische an DDR-Apotheken? Professor Dr. Christoph Friedrich, Direktor des Instituts für Geschichte der Pharmazie an der Philipps-Universität Marburg, nennt ein Phänomen: „Anders als in der BRD gab es pro Präparat und Wirkstoff jeweils nur einen Hersteller.“ Konnte der nicht liefern, sei es immer wieder zu Versorgungslücken gekommen – vor allem zum Ende der DDR hin. „Dafür zeigten die Apotheker sehr viel Eigeninitiative, überlegten sich Alternativen und stellten selbst Arzneimittel im Defekturmaßstabe her.“

Auf ein Ausstellungsstück ist Museumsleiterin Schiffner besonders stolz: eine rot-weiße Schachtel des häufig verschriebenen Antidepressivums und Aufputschmittels Aponeuron (Amphetaminil). Die habe eine besondere Geschichte, sagt Schiffner: Sie lag schon in den Händen von Schauspielerin Martina Gedeck – im Film „Das Leben der Anderen“. Das Werk von Florian Henckel von Donnersmarck über ein Paar in der DDR wurde 2007 mit einem Oscar ausgezeichnet.

Neben Cottbus gibt es weitere Apothekenmuseen in Deutschland, die DDR-Medikamente sammeln. Dazu zählt etwa das nach eigenen Angaben größte Apothekenmuseum Deutschlands in Heidelberg. Es habe etwa 600 DDR-Präparate, ausgestellt sei rund ein Dutzend. „Was wir nicht haben, sind Möbel aus DDR-Apotheken, dafür aber viele Unterlagen“, sagt Sammlungskuratorin Dr. Claudia Sachße.

Bis auf 26 Privatapotheken seien in der DDR alle staatlich gewesen, berichtet Wissenschaftler Friedrich. Heute sei das Sortiment bis auf wenige Ausnahmen vom Markt verschwunden. Und was sonst noch typisch war in DDR-Apotheken? „Lange Schlangen.“