Direct-to-Consumer-Advertising

Pharma-Werbung überschätzt Julia Pradel, 01.10.2008 18:40 Uhr

Berlin - 

Fünf Milliarden US-Dollar geben Pharmakonzerne in den USA jährlich für Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel aus, die sich direkt an den Endverbraucher richtet („Direct-to-Consumer-Advertising“, DTC). Möglicherweise umsonst. Forscher aus den USA und Kanada untersuchten erstmals, welche Effekte direkte Kundenwerbung auf den Verkauf rezeptpflichtiger Medikamente hat und fanden heraus, dass diese bisher überschätzt wurden.

Die Autoren machten sich zunutze, dass DTC für verschreibungspflichtige Arzneimittel in den USA erlaubt, in Kanada jedoch verboten ist. Englischsprachige Kanadier werden im Gegensatz zu ihren französischsprachigen Mitbürgern jedoch häufig über die Medien des Nachbarlandes mit Werbung für Medikamente konfrontiert. Die Autoren verglichen Verkaufsdaten aus insgesamt 2700 Apotheken in französisch- und englischsprachigen Provinzen Kanadas und konnten so die Effekte der DTC auswerten.

Die Studie untersuchte von 2002 bis 2006 die Verkaufszahlen von drei Medikamenten: Enbrel (Etanercept), Nasonex (Mometason) und das in Deutschland nicht zugelassene Zelnorm (Tegaserod). Die Medikamente waren schon mindestens ein Jahr auf dem Markt, als jeweils 2003 die Werbekampagnen starteten.

Die Verkaufszahlen von Enbrel und Nasonex stiegen in den englischsprachigen Provinzen nicht schneller an als in den französischsprachigen Gegenden. Die Werbung hatte den Autoren zufolge auch keinen Einfluss auf das Verschreibungsverhalten der Ärzte: Die Verschreibungsraten entwickelten sich in allen Provinzen ähnlich.

Die Umsätze für Zelnorm hingegen legten in den englischsprachigen Regionen um 40 Prozent zu, fielen aber nach etwa einem Jahr wieder auf das Level der französischsprachigen Provinzen. Zelnorm war zu diesem Zeitpunkt das einzige verfügbare Medikament gegen das Reizdarmsyndrom, sodass sich die Rolle der DTC bei der Verkaufssteigerung nicht eindeutig bestimmen lässt. 2007 wurde das Medikament vom Markt genommen, da es unter dem Verdacht stand, die Risiken eines Herzinfarktes oder Schlaganfalls zu steigern.

Der Einfluss von Werbemaßnahmen ist generell schwierig zu bestimmen, da Kunden und Mediziner gleichermaßen adressiert werden. Die Forscher fanden jedoch bei zwei der drei Medikamente keine signifikante Änderung der Verkaufszahlen nach dem Start der Werbekampangnen und gehen davon aus, dass diese einen geringeren Einfluss auf das Verschreibungsverhalten hat als bisher angenommen.

Die USA und Neuseeland sind momentan die einzigen Staaten, in denen DTC für verschreibungspflichtige Medikamente erlaubt ist. Die US-Zulassungsbehörde FDA verwarnte am Montag die Pharmakonzerne Lilly, Johnson & Johnson, Novartis, Shire und Covidien wegen irreführender Werbung. Die Unternehmen hatten in Anzeigen die Effizienz ihrer Produkte übertrieben oder Nebenwirkungen verschwiegen. Die Kampagnen sollen nun eingestellt werden.

In Deutschland gilt bislang ein Werbeverbot für rezeptpflichtige Medikamente außerhalb von Fachkreisen. Allerdings plant die Europäische Union, dieses Verbot zu lockern.