Zyto-Skandal

Pfusch-Prozess: Whistleblower sagt aus dpa/APOTHEKE ADHOC, 18.01.2018 10:13 Uhr

Essen - 

Im Prozess um gestreckte Krebsmedikamente gegen den Bottroper Apotheker Peter S. soll heute ein zweiter Hinweisgeber aussagen. Bei dem Zeugen mit Insider-Kenntnissen handelt es sich um den ehemaligen kaufmännischen Leiter der Apotheke.

Martin Porwoll war 2016 zur Polizei gegangen, weil er auf gravierende Differenzen beim Ein- und Verkauf von Krebsmedikamenten gestoßen sein will. Eine ehemalige Mitarbeiterin der Apotheke hatte bereits in dem Prozess ausgesagt.

Porwoll war nicht nur in der Apotheke für alle kaufmännischen Belange zuständig, er kannte Inhaber Peter S. auch bereits seit Kindheitstagen. Als im Winter 2014 zwei Kolleginnen kündigen, erfährt er von den Gerüchten. Von dem Verdacht, dass S. nicht nur die Herstellungsregeln missachten, sondern auch Krebsmedikamente unterdosieren soll.

Doch es vergehen noch Monate. An einem Abend im Januar 2016 sitzt er noch kurz vor Mitternacht in der Apotheke, weil er nach Handwerkern sehen muss. Er sucht aus den Unterlagen alle Rezepte für das Medikament Opdivo heraus, rechnet zusammen und vergleicht mit den Einkaufsbelegen. Es fehlen 36.000 Milligramm, das sind mehr als zwei Drittel.

Seit er von dem Betrug weiß, ist sein Leben nicht mehr dasselbe, berichtete er der ZDF-Doku „37 Grad“. Er wird von Zweifeln geplagt, will am liebsten verdrängen, wie er dem Recherchenetzwerk Correctiv später erzählt. Er rechnet bei vier weiteren Wirkstoffen nach, das Ergebnis ist das gleiche. Er bekommt Panikattacken. Wenn er Kontakt mit Patienten hat, denen mutmaßlich gepanschte Wirkstoffe verabreicht wurden, ist er verzweifelt. Im Sommer stellt er schließlich Strafanzeige.

Doch er muss noch Monate warten, bis die Ermittler zuschlagen. Dann geht alles ganz schnell: Innerhalb von 24 Stunden bekommt er seine Kündigung. Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen bestätigt später die fristlose Entlassung.

Bis heute hat er keinen neuen Job gefunden, keine der Firmen, in denen er sich beworben hat, hat ihn eingestellt. „In Deutschland ist man nur der Verräter. Der, der das Nest beschmutzt hat“, sagt er. Ehemalige Kollegen gehen juristisch gegen ihn vor, weil er in Interviews gesagt hatte, dass der Pfusch in der Apotheke ein offenes Geheimnis gewesen sei.