Zyto-Skandal

Pfusch-Apotheker: Wo ist das Millionenvermögen?

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Berlin -

Bleibt von den vielen Millionen des mutmaßlichen Pfusch-Apothekers Peter S. am Ende zu wenig übrig, um die Opfer zu entschädigen? Nachforschungen des Rechercheverbunds Correctiv haben ergeben, dass sich die Eltern systematisch daran beteiligen, das Vermögen dem Zugriff der Justiz zu entziehen. Dabei habe ihnen eine Nachlässigkeit der Staatsanwaltschaft Essen in die Hände gespielt.

Ende November 2016 wurde Peter S., der Inhaber der Alten Apotheke in Bottrop, wegen des Verdachts auf schwere Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz festgenommen. Die Staatsanwaltschaft legt ihm zudem gewerbsmäßigen Betrug und versuchte Körperverletzung zu Last. Er soll in sechs Bundesländern Ärzte und Kliniken mit Krebsmitteln beliefert haben, in denen die entscheidenden Wirkstoffe nicht oder nicht ausreichend enthalten waren.

Um eventuelle Schadensersatzforderungen zu bedienen, ließ die Staatsanwaltschaft Essen eine Hypothek in Höhe von rund 2,5 Millionen Euro auf die Luxusvilla im Ortsteil Kirchhellen eintragen. Das wahre Ausmaß des Medizinskandals gelangte erst im Laufe der weiteren Ermittlungen ans Licht. Doch die Staatsanwaltschaft ließ das restliche Vermögen noch neun Monate lang unangetastet. Dieses Zeitfenster nutzten S. und seine Eltern offenbar aus.

Anhand von vorliegenden Dokumenten weist Correctiv nach, dass sich die Eltern dabei einen Wettlauf mit den Behörden lieferten. Schon im Dezember 2016 nahm die Mutter über ihren Anwalt Kontakt zur Bottroper Amtsapothekerin auf. Sie wolle die Alte Apotheke wieder übernehmen. Kein Problem, sagte die Amtsapothekerin. Intern habe es aus der Stadt geheißen, dass die Alte Apotheke als wichtiger Arbeitgeber erhalten bleiben müsse.

Bis Mitte Januar 2017 wies das Landeszentrum Gesundheit NRW gemeinsam mit dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) nach, dass in 43 der insgesamt 88 bei einer Razzia beschlagnahmten Proben weniger als 20 Prozent des verordneten Wirkstoffs nachzuweisen war. Auch in 20 von 29 monoklonaren Antikörpern wurden viel zu wenig Wirkstoffe festgestellt.

Dann ging alles Schlag auf Schlag: Am 25. Januar beauftragte das NRW-Gesundheitsministerium die Stadt Bottrop mit der Einleitung eines Prüfverfahrens, um die Betriebserlaubnis für die Alte Apotheke zu entziehen. Am Tag darauf unterzeichnete Peter S. im Gefängnis mehrere Dokumente. Sein Vater und sein Steuerberater erhielten eine Generalvollmacht, die ihnen den Zugriff auf das gesamte Vermögen eröffnete. Zudem konnten sie S. „in allen persönlichen, geschäftlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten, soweit dies gesetzlich zulässig ist, gerichtlich und außergerichtlich“ vertreten.

Der Mutter wurden die Alte Apotheke und das dazu gehörige denkmalgeschützte Haus übertragen. Damit sollten Betrieb und Immobilie dem Zugriff der Staatsanwaltschaft entzogen werden, geht laut Correctiv aus dem Vertrag zwischen den Parteien hervor. Die Mutter bekam die Apotheke zum Nulltarif, dafür unterschrieb der Apotheker einen Darlehensvertrag in Höhe von 2,2 Millionen Euro. Im Gegenzug verzichtete die Mutter laut Correctiv auf Geld, das S. ihr geschuldet hätte, wenn er die Apotheke behalten hätte: eine Leibrente von 6000 Euro monatlich sowie lebenslanges Wohnrecht.

Am 27. Januar berichtete das Landeszentrum Gesundheit NRW der Staatsanwaltschaft, dass mindestens 63 Medikamente stark gepanscht waren. Die Staatsanwaltschaft weitete ihre Ermittlungen aus, nicht aber die Beschlagnahmung des Vermögens.

In den folgenden Wochen machte die Mutter laut Correctiv zwei Darlehensverträge und Zinsforderungen über einen Gesamtbetrag von knapp 3,9 Millionen Euro beim Amtsgericht Hagen geltend. Sie ließ mehrere Hypotheken auf das Privathaus ihres Sohnes eintragen und nahm gleichzeitig den Betrieb der Alten Apotheke in Anspruch. Forderungen gegen S. oder Schulden habe sie nicht mit übernommen. Daher seien diese nun auch nicht mehr gegen die Alte Apotheke vollstreckbar. Wer noch Ansprüche aus dem letzten Jahr geltend machen will, muss sich laut Correctiv direkt an Peter S. wenden.

Erst im August sicherte sich die Staatsanwaltschaft weitere 56 Millionen Euro aus dem Vermögen von S. Sollte ein Gericht den Apotheker wegen Betrugs verurteilen, käme diese Summe in erster Linie den Krankenkassen zugute. Bei der Gesamtsumme sei zudem nicht berücksichtigt worden, dass auch Privatpatienten geschädigt worden seien. „Eventuell Geschädigten steht am Ende aller Verfahren weniger Geld aus dem Vermögen von Peter S. zur Verfügung, um mögliche Ansprüche auf Schadensersatz zu befriedigen“, schreibt Correctiv.

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