Mancher Klinikbetreiber rauft sich die Haare: Auf dem deutschen Arbeitsmarkt finden sich kaum noch Pflegekräfte. Und selbst in den EU-Staaten sinkt das Interesse an einem Pflegejob hierzulande. In der Not rekrutieren Klinikchefs Kräfte aus Fernost.
Ihr Ankunftstermin wurde schon mehrfach verschoben. Und ob nun die Einreise der acht jungen chinesischen Frauen Anfang Juli klappt – auch dafür will sich Hatho Reiser nicht verbürgen. Reiser ist Verwaltungsdirektor der Dr. Becker Kiliani-Klinik im fränkischen Bad Windsheim. Und bei der Bewältigung des akuten Pflegekräftemangels ist die private Reha-Klinik einen eigenen Weg gegangen.
Über eine Vermittlungsagentur heuerte sie vor ein paar Monaten in China acht junge examinierte Pflegekräfte an. Hohe bürokratische Hürden in Deutschland verzögern aber ihren Start in Bad Windsheim. Reiser sieht das Projekt inzwischen realistisch: „Das ist ein langer Weg – und wir wissen nicht, ob wir das bekommen, was wir erwarten – nämlich neue Mitarbeiter, die auch länger bei uns bleiben.“
Die fränkische Reha-Klinik ist keine Ausnahme. Immer mehr Kliniken und Altenpflegeheime richten bei der Suche nach dringend benötigten Pflegepersonals ihren Blick ins Ausland – trotz des hohen Aufwands. Denn der deutsche Stellenmarkt für Pflegekräfte ist leer gefegt. Zudem können privat geführte Häuser, die unter starkem Profitabilitätsdruck stehen, bei den Gehältern teils nicht mit kommunal geführten Kliniken mithalten. Im Ausland rekrutierte Kräfte geben sich dagegen oft mit untertariflicher Bezahlung zufrieden.
Doch selbst im EU-Ausland schwindet mit der wirtschaftlichen Erholung das Interesse etwa junger Spanier oder Portugiesen an einem Job in Deutschland, berichtet Kea Decker. Sie ist Geschäftsführerin bei der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit und koordiniert die Beratung und Anwerbung ausländischer Fachkräfte. „Unsere Partner in manchen EU-Ländern werden inzwischen zurückhaltender mit der Vermittlung von Kräften nach Deutschland.“
Decker und ihre Kollegen haben daher längst begonnen, die Arbeitsmärkte in Drittstaaten außerhalb der EU nach potenziellen Pflegekräften zu sondieren. Fündig geworden sind sie in Serbien, Bosnien und auf den Philippinen. Demnächst sollen auch qualifizierte Jobsucher aus Marokko an deutsche Kliniken und Seniorenheime vermittelt werden.
Nach einem zähen Start laufe das Projekt „Triple win“ rund, berichtet Decker. „Im Spätsommer erwarten wir die tausendste Einreise.“ Ein Problem seien aber nach wie vor die bürokratischen Hürden bei der Anerkennung ausländischer Pflegeexamen. Tatsächlich gleiche die Ausbildung in manchen Ländern eher einer Hochschulausbildung. Vielen Pflegekräften fehle der Praxisbezug, den sie – neben dem einen oder anderen Ausbildungsmodul – erst noch nachholen müssten.
Weil die Anerkennungsverfahren so kompliziert seien, stelle das ZAV interessierten deutschen Firmen Anerkennungsbegleiter zur Seite, die sie durch das komplexe Verfahren führen. Dass es gerade bei Pflegekräften so kompliziert sei, liege auch daran, dass die Anerkennung medizinischer Berufsabschlüsse Ländersache sei. Innerhalb der Bundesländer seien dafür die regionalen Regierungsstellen zuständig, sagt Decker. «Und da gibt es bei den Anerkennungsverfahren leider keine einheitliche Handhabung.“
Mit diesen Problemen hatte auch der Bad Windsheimer Klinik-Chef Reiser zu kämpfen. „Die acht jungen Chinesinnen könnten längst da sein. Aber die zuständige Regierungsstelle in der Region hat die in China ausgefertigte Übersetzung der chinesischen Pflege-Abschlüsse nicht anerkannt. Wir mussten das Ganze noch einmal von einem in Chinesisch-Übersetzer bei uns in Deutschland übersetzen lassen.“
Auch sonst erfordert die Rekrutierung von Fachkräften aus Fernost nach Reisers Einschätzung einen langen Atem. „Es braucht etwa neun Monate, bis die angeworbenen Kräfte da sind – und selbst dann sind sie noch nicht vollwertig einsetzbar», berichtet der Klinikchef. Noch im Heimatland bekämen die jungen ledigen Frauen Deutsch-Unterricht, ergänzt um eine fachliche Fortbildung. Die setze sich in den ersten Monaten fort – in dieser Zeit würden die jungen Chinesinnen erst mal als geringer bezahlte Pflegehilfskräfte eingesetzt.
Reiser ist trotz der Hürden und Anlaufschwierigkeiten von der Anwerbung in China überzeugt. Die Klinik reagiert damit auch auf schlechte Erfahrungen mit polnischen Pflegekräften. „Von den zehn die, wir mal angeworben haben, war nach fünf bis sechs Jahren nur noch ein einziger polnischer Mitarbeiter da. Die anderen hat das Heimweh gepackt und veranlasst, bald schon wieder nach Polen zurückzukehren.“
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