Pferdeallergiker

Reiturlaub für Allergiker

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Schleswig -

Maja reitet. Kerzengerade hält sich das Mädchen im Sattel und lauscht den Anweisungen seiner Reitlehrerin. Als es am Ende der Stunde vom Pferd steigt, hat es Tränen in den Augen – vor Begeisterung. Denn eigentlich ist Maja (Name geändert) Allergikerin. Von Besuchen in Pferdeställen oder gar Reiterferien konnte sie bislang nur träumen.

„Viele Allergiker sind außer sich vor Freude, wenn ihr langgehegter Wunsch, doch einmal auf einem Pferd zu sitzen, in Erfüllung geht“, sagt Susanne Mitlehner, die Reitlehrerin. Dass das geht, liegt an Luna. Die hübsche Schimmelstute, auf der Maja eine Stunde lang geritten ist, ist ein Curly Horse. Mit seinem welligen Fell und der gekräuselten Mähne ist das Tier eine lockige Lösung für Maya und andere Allergiker.

Curly Horses gelten als hypoallergen. Während Speichel, Haare und Hautschuppen von Pferden bei Allergikern üblicherweise laufende Nasen, juckende Augen oder gar Asthmaanfälle auslösen, bleiben diese Reaktionen bei Curlys aus – oder sind erheblich abgemildert. So wie bei Maja, die während der Reitstunde zwar ab und an in ein Taschentuch schnauben muss, aber nicht wie sonst selbst nach kurzen Begegnungen mit einem Pferd über Stunden von roten Augen und Schnupfen geplagt wird.

Warum das so ist, versucht der Allergologe Wolfgang Mitlehner herauszufinden, der auf dem Curly-Hof nahe Schleswig mit eine Praxis betreibt. Bevor er die Feriengäste in eine Reitstunde mit seiner Frau entlässt, führt er mit jedem empfindlich reagierenden Besucher einen Allergietest durch und ist mit Nasenspray oder Inhalator zur Stelle, falls beim Reiten Probleme auftauchen. Seine Erkenntnisse aus der Praxis lässt er auch in die Forschung einfließen. Denn warum genau Curly Horses hypoallergen sind, darüber sind sich Wissenschaftler noch nicht einig. „Vermutlich liegt es am hohen Talggehalt der Haut“, sagt Mitlehner. „Der Talg wirkt wie ein Klebstoff, so dass die Allergene wahrscheinlich weniger frei gesetzt werden.“

Gute Erfahrungen hat auch Petra Wolf vom Gestüt Wolf in Hessen gemacht. Auf ihrem Hof in den Ausläufern des Odenwalds bietet sie Feriencamps und individuelle Reiterferien für Erwachsene und Kinder an. Ist ein Allergiker zum ersten Mal zu Besuch, beobachtet sie ganz genau, wie er reagiert und kooperiert bei Bedarf mit einem Allergologen aus dem Dorf.

Oftmals haben die Leute nicht nur gegen Pferde eine Allergie, sondern auch gegen andere Dinge, etwa Heu oder Pollen. „Diese Menschen sollten nicht gerade zum Pollenflug Reiterferien machen“, rät Wolf. Pferdeliebhabern, die unsicher sind, etwa weil sie an Asthma leiden, schickt sie vorab Haarproben der Curlys, auf die sich Allergiker schon vor der Reise mit Hilfe ihres eigenen Facharztes testen lassen können.

Ein Ferienaufenthalt auf einem Curly-Hof kann nicht nur die Erfüllung eines Reittraums bedeuten, sondern sogar heilend wirken. „Je öfter meine Gäste mit einem Curly Horse in Berührung kommen, desto schwächer wird die Allergie“, sagt Claudia Geupert vom Isarhof im Süden Bayerns. Eine Beobachtung, die auch der Allergologe Mitlehner teilt. Curlys wirken mit ihrer geringen Dosis an freigesetzten Allergenen desensibilisierend, so dass mancher Allergiker irgendwann sogar auf anderen Pferden reiten kann.

Dennoch sind Reiterhöfe für Pferdeallergiker bislang weder im In- noch Ausland weit verbreitet. „Ein Nischenprodukt“, sagt Ivan Künnemann, Geschäftsführer des Reiterreisen-Anbieters Pferd und Reiter. Unter seinen rund 200 Angeboten listet das Unternehmen gerade einmal einen Curly-Horses-Hof. Das liegt laut Künnemann daran, dass die meisten Allergiker noch nichts von den besonderen Pferden gehört haben.

Die Curly-Ferien unterscheiden sich von den anderen Angeboten des Unternehmens, die normalerweise Unterkunft auf dem Hof beinhalten. Die Besucher seines Partnerbetriebs, dem Reit- und Zuchtbetrieb Curly Horses Germany im Bergischen Land, werden hingegen in einem nahe gelegenen Hotel untergebracht. Sie werden per Shuttleservice zum Hof gebracht, gerade damit Mehrfachallergiker nach dem Reitunterricht nicht anderen Dingen wie Staub oder Katzenhaaren ausgesetzt sind und sich langsam an die Pferde gewöhnen können.

Das dauert meist etwa drei Tage, sagt seine Kooperationspartnerin Daniela Söhnchen, die auf dem Hof rund 50 Pferde hält. Sie rät Allergikern zu Offenheit, denn oft, glaubt sie, fangen Beschwerden im Kopf an. „Viele sehen ein Pferd und denken gleich 'Oh Gott, läuft meine Nase schon?'“, sagt sie. Neulinge setzt sie deshalb gerne auf besonders lockige Pferde, damit sie gleich sehen: Dieses Tier ist anders.

Karoline Mair von der Equithera-Reitschule am nordwestlichen Stadtrand von München sieht noch einen anderen Vorteil der hypoallergenen Tiere. „Curly Horses sind sehr menschenfreundlich“, sagt sie. Sie beißen oder treten so gut wie nie. Gerade für Anfänger also die perfekten Einsteigerreittiere.

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