Der Bottroper Pfusch-Apotheker Peter S. will seine Freiheit zurück. Fünf Jahre nach seiner Verurteilung hat er Antrag auf vorzeitige Entlassung aus der Haft gestellt. Noch ist nichts entschieden.
„Ich kann bestätigen, dass der Verurteilte inzwischen einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung gestellt hat, der der Strafvollstreckungskammer des zuständigen Gerichts vorgelegt worden ist“, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Essen auf Nachfrage. „Eine Entscheidung des Gerichts ist hier bislang nicht bekannt geworden. Wann die Entscheidung erfolgt, kann ich nicht prognostizieren.“
Eigentlich muss S. noch eine lange Haftstrafe absitzen. Das Landgericht Essen hatte den Apotheker 2018 aufgrund jahrelanger Versorgung Krebskranker mit unterdosierten Arzneimitteln wegen „Betrugs und Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz“ in einer Vielzahl von Fällen zu zwölf Jahren Gefängnis und einem lebenslangen Berufsverbot verurteilt. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte im Juli 2020 das Urteil.
Nach § 57 Strafgesetzbuch (StGB) kann das Gericht eine verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzen, wenn „die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass besondere Umstände vorliegen“. In jedem Fall muss die Hälfte bereits abgesessen worden sein – S. saß bereits seit seiner Verhaftung 2016 saß er bis zum Prozessauftakt im November 2017 in Untersuchungshaft.
Bei der Entscheidung muss geprüft werden, ob eine Entlassung mit Blick auf das Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann: „Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.“
Allerdings deutet das Verhalten von S. nicht darauf hin, dass er besonders einsichtig wäre: Einerseits hatte er Verfassungsbeschwerde gegen sein Urteil eingelegt, andererseits hatte er sogar gegen den Entzug seiner Approbation geklagt. Mit beiden Vorstößen war er gescheitert.
Über seinen Antrag auf Haftentlassung hatte zuerst die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) berichtet – die auch vor einem Jahr schon Gerüchten nachgegangen war, dass S. in den offenen Strafvollzug der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Bielefeld-Senne gewechselt sein könnte. Einige Zeugen behaupteten damals, ihn in Bottrop auf den Straßen gesehen zu haben.
Auf Nachfrage wollte die JVA damals keine Angaben machen. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte gebe man keine Auskünfte zu Insassen. Mit zwei Gefängnissen und 15 Außenstellen ist die JVA nach eigenen Angaben Europas größte Haftanstalt für den offenen Vollzug.
Laut dem damaligen WAZ-Bericht soll der ehemalige Apotheker bereits seit 2021 Freigang haben, einer Beschäftigung nachgehen und nur zum Schlafen in die JVA zurückkehren. Ein von Opfern eingeschalteter Privatdetektiv soll ihn beim Arbeiten in Bielefeld gesehen haben. Dem Bericht zufolge könnten die Lockerungen laut dem aufgestellten Vollzugsplan so weit fortgeschritten sein, dass er mittlerweile sogar zu Hause übernachten darf. Laut WAZ stand sein Nachname an einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, die seinen Eltern gehört.
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