„Wir haben ein Wettbieten um Mitarbeiter“

Personalnot: Verzweifelter Hilferuf eines Apothekers

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Berlin -

Apotheker Peter Kindler weiß nicht mehr weiter – wie viele Kolleg:innen trifft den Inhaber der Linden-Apotheke der Personalmangel. Doch seine Situation spitzte sich in den vergangenen Monaten so zu, dass er bereits die Öffnungszeiten reduzierte und sich von einer anderen Apotheke einen Approbierten ausleiht. Von 16 auf 7 Angestellte ist sein Team geschrumpft.

Die Linden-Apotheke im bayerischen Neunburg vorm Wald ist eine klassische und gut laufende Landapotheke. 2006 übernahm Kindler den 1971 durch seinen Großvater gegründeten Familienbetrieb aus einem Pachtverhältnis heraus. Seine Mutter ist PTA und packt ebenfalls mit an. „Die Apotheke war nicht immer so groß. Früher hatten wir dreieinhalb Stellen“, sagt er. In den vergangenen Jahren habe er den Betrieb und das Angebot ausgebaut. „Wir haben die Apotheke Stück für Stück nach oben gebracht.“

Ausgebremst wird seine Apotheke vom akuten Fachkräftemangel. Wie überall fehlen auch in der Oberpfalz Apotheker:innen, PTA und PKA. Die Listen der Stellenanzeigen sind lang. Als Kindler vor zweieinhalb Jahren erfuhr, dass zwei Teilzeitangestellte in Rente gehen werden, war die Welt noch in Ordnung. „Das war planbar und wir haben sofort Ersatz gesucht“, sagt er. „Damals wurde ich noch nicht nervös.“

Pandemie befeuert Personalsituation

Mitten in der Pandemie wurden drei Mitarbeiterinnen schwanger. „Das bedeutete sofortiges Beschäftigungsverbot“, sagt der Apotheker. Die Übergangszeit fiel weg, um Ersatz zu finden. „Wenn zwei Vollzeit-PTA und eine PKA plötzlich nicht mehr da sind, hinterlässt das eine große Lücke.“ Gerade in der Coronazeit, in der die Apotheke flexibel auf neue Vorgaben wie Desinfektionsmittelherstellung, Maskenabgabe oder die Zertifikateausstellung reagieren musste.

„Ich stand ab diesem Zeitpunkt Vollzeit vorne im Handverkauf“, sagt Kindler. Alle organisatorischen Tätigkeiten mache er nebenher. „Ich habe selbst zwei Kinder, die mich immer weniger sehen.“ Der Inhaber will aber nicht jammern, denn er ist Apotheker mit Leidenschaft. „Eigentlich könnte alles so schön sein“, betont er. Doch langsam verzweifelt er an der Personalsuche. Die Lage wurde für ihn noch dramatischer, als eine PTA ankündigte, umzuziehen. Zudem habe eine Mitarbeiterin zuletzt mitgeteilt, dass sie gehe: Der lange Arbeitsweg, der zur Arbeitsbelastung dazukomme, sei der Grund. Sie fand erwartungsgemäß schnell eine Stelle in einer anderen Apotheke.

Kindler weiß um die hohe Belastung seiner Angestellten. „Im Handverkauf hat man ständig Diskussionen um Rabattverträge oder die Lieferfähigkeit. Da muss man ausgeruht sein. Dazu kommt die Mehrarbeit durch Corona. Wenn man immer am Limit ist, ist das sehr fordernd.“ Das Verhältnis im Team sei „super und familiär“, sagt er. Auch seine Frau hilft mit und kümmert sich etwa um die Buchhaltung. Viele Angestellte fahren weite Wege, um in seiner Apotheke zu arbeiten, eine sogar 87 Kilometer. Zudem schwärmt er von seiner Kundschaft, die sogar bei der Personalsuche mithelfe.

Selbst Headhunter konnten nicht helfen

Mittlerweile ist der Apotheker jedoch ratlos. Er versuchte alles – Stellenanzeigen, Werbung über soziale Netzwerke, übertarifliche Bezahlung sowie Startgeld von bis zu 3000 Euro für neue Angestellte und sogar Headhunter. „Ich weiß nicht, wie ich noch offensiver suchen kann. Es gibt aber auch kleine Lichtblicke“, sagt er. Eine Approbierte konnte er für eine Teilzeitstelle gewinnen. Die Frau hat zwei Kinder und könne einen Vormittag in der Woche und einen Samstag pro Monat abdecken. Zudem wolle eine Studentin im kommenden Februar bei ihm voll einsteigen. „Hoffentlich“, fügt er hinzu.

Zwischenzeitlich sah sich Kindler gezwungen, die Öffnungszeiten zu kürzen – um anderthalb Stunden pro Tag. „Wir haben eine Mittagspause eingeführt und schließen jetzt um 18 Uhr statt um 18.30 Uhr.“ Die Verringerung der Geschäftszeiten sei eine gute Entscheidung gewesen, sagt er. Kurzfristig spüre er umsatzbezogen keine Verluste. „Wir haben viele Stammkunden, die das mitmachen.“ Zudem freut er sich, dass ihm ein „Kumpel aus Studienzeiten“ beistehen werde. Der Approbierte konnte sich von seinem Chef für drei Monate freistellen lassen, um bei Kindler auszuhelfen.

Doch das seien nur kurzfristige Maßnahmen, die das eigentliche Problem des Fachkräftemangels nicht lösten. „Aus einem Minderangebot kann man nicht mehr machen. Wir haben ein Wettbieten um Mitarbeiter.“ Einen Grund für die niedrige Bereitschaft, in einer Apotheke zu arbeiten, sei das schlechte Image der Apotheke in den überregionalen Medien. „Dazu kommt, dass die Politik auch nicht viel für uns tut, etwa was Planungssicherheit angeht.“ Es fehle generell an Wertschätzung, die Apotheke leiste im Gesundheitsbereich mehr als die reine Arzneimittelversorgung. „Wir haben einmal über zwei bis drei Wochen aufgeschrieben, wie oft wir die Praxen wegen Unklarheiten zurückrufen. Das waren bis zu 26 Telefonate am Tag, was für ein Zeitfresser. Das kriegt jedoch keiner mit.“

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