Ärztemangel, lange Wartezeiten und aus Kostengründen vorenthaltene Leistungen setzen den Menschen in Deutschland immer stärker zu. Zwar bewerten 81 Prozent von ihnen die Gesundheitsversorgung weiterhin positiv, wie es im Gesundheitsreport 2022 des Finanzdienstleisters MLP heißt. 29 Prozent registrieren aber eine Verschlechterung der Gesundheitsversorgung, was insbesondere am zunehmenden Ärztemangel liegt: Insgesamt nimmt jeder Dritte diesen Trend in seiner Region bereits wahr, in Ostdeutschland sogar mehr als die Hälfte. Weitere 18 Prozent rechnen damit in den kommenden Jahren.
Aus Sicht der niedergelassenen Ärzte zeigt sich der Ärztemangel noch ausgeprägter: Der Anteil derer, die diesen in der eigenen Region wahrnehmen, ist von 41 Prozent im Jahr 2019 auf aktuell 52 Prozent deutlich angestiegen. Überdurchschnittlich groß ist dieser Anteil mit 76 Prozent in strukturschwächeren Regionen. Insgesamt registrieren 46 Prozent der niedergelassenen Ärzte persönliche Auswirkungen des Ärztemangels, das heißt, sie müssen deshalb mehr Patienten versorgen. Fast drei Viertel der Ärzte in Städten und Regionen mit unter 100.000 Einwohnern berichten von einer dadurch steigenden Arbeitsbelastung, wobei Hausärzte insgesamt deutlich häufiger betroffen sind als Fachärzte.
In den kommenden Jahren ist mit einer weiteren Verschärfung des Ärztemangels zu rechnen. Denn auch die Schwierigkeiten niedergelassener Ärzte, Nachfolger für die eigene Praxis zu finden, haben zugenommen. Derzeit schätzen es 68 Prozent der niedergelassenen Ärzte als (sehr) schwierig ein, einen Nachfolger zu finden. Hausärzte sehen sich dabei sehr viel häufiger mit (potenziellen) Problemen konfrontiert als Fachärzte und Ärzte in strukturschwächeren Regionen deutlich häufiger als Ärzte in urbanen Zentren.
Gleichzeitig ist der Anteil der Krankenhausärzte, für die eine Niederlassung infrage käme, im Vergleich zu früher wieder angestiegen (2022: 46 Prozent; 2019: 37 Prozent). Dies würde den Ärztemangel jedoch nur verlagern, denn: Auch in den Krankenhäusern hat sich das Problem weiter verstärkt. Aktuell geben 57 Prozent der Krankenhausärzte an, dass in der eigenen Klinik ein Ärztemangel herrscht, weitere 23 Prozent erwarten diesen in den nächsten Jahren.
Ähnlich dramatisch stellt sich die Lage beim Fachpersonal dar. Mehr als jede fünfte Arztpraxis (22 Prozent) ist unterbesetzt; hinzu kommen Probleme, offene Stellen zu besetzen (73 Prozent). 2016 wurden diese Probleme noch deutlich seltener wahrgenommen (59 Prozent). Dramatischer ist die Situation in Krankenhäusern: Vier von fünf Ärzten berichten, dass im eigenen Krankenhaus Pflegepersonal fehlt. Auch hier hat sich die Situation in den vergangenen Jahren verschlechtert: Aktuell schätzen 89 Prozent der Krankenhausärzte es als (sehr) schwierig ein, offene Stellen zu besetzen (2016: 72 Prozent).
Die Bevölkerung klagt daher über lange Wartezeiten (65 Prozent) und vorenthaltene Leistungen aus Kostengründen (38 Prozent); zudem befürchten 58 Prozent eine Zwei-Klassen-Medizin.
Weder Ärzte noch Bevölkerung trauen der Politik Lösungen zu; vielmehr befürchten sie, dass durch aktuelle Krisen notwendige Reformen aufgeschoben werden (Ärzte: 77 Prozent, Bevölkerung: 55 Prozent). 84 Prozent der Ärzte lehnen den Einstieg von Kapitalinvestoren in das Gesundheitswesen ab; vor allem, weil sie befürchten, dass wirtschaftliche Erwägungen eine zu große Rolle spielen könnten.
MLP-Vorstandschef Uwe Schroeder-Wilberg forderte eine ernsthafte Zukunftsvorsorge von der Ampelkoalition. „Dazu gehört auch eine ergebnisoffene Diskussion über die Ausgabenseite, also darüber, was das staatliche Gesundheitswesen in Zukunft noch alles leisten soll und wie diese Leistungen effizient organisiert und erbracht werden.“
Für die Umfrage hatte das Institut für Demoskopie Allensbach mehr als 400 Ärzte und fast 1100 Bürgern befragt.
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