USA

Pentobarbital: Graumarkt für Todesspritzen Benjamin Rohrer, 02.08.2011 10:19 Uhr

Berlin - 

In den USA wird Pentobarbital für Todesstrafen verwendet - gegen den erklärten Willen des Herstellers. Erstmals ist der Wirkstoff, der eigentlich zum Einschläfern von Tieren und zur Notfallbehandlung von Epileptikern verwendet wird, am vergangenen Freitag auch im US-Staat Delaware bei einer Hinrichtung benutzt worden. Lundbeck, in den USA der einzige Anbieter von Pentobarbital, wehrt sich gegen die „missbräuchliche Verwendung“ des Barbiturats. Alle bisherigen Interventionen seien jedoch vergebens gewesen.

In den USA werden bei Hinrichtungen mehrere Medikamente verabreicht, die in den Vorschriften der Bundesstaaten genau festgelegt sind. Nachdem das Betäubungsmittel Thiopental in den USA nicht mehr verfügbar ist, haben inzwischen mehrere Bundesstaaten Pentobarbital in ihre Protokolle aufgenommen.

Mit der Verwendung des Produkts „Nembutal“ für Hinrichtungen ist der dänische Hersteller Lundbeck nicht einverstanden: „Wir haben die Gefängnisbehörden und Gouverneure aller Bundesstaaten angeschrieben und sie aufgefordert, nicht mehr auf Pentobarbital zurückzugreifen. Bis heute haben wir nicht eine Antwort erhalten“, so ein Konzernsprecher.

Da das Medikament weniger als 1 Prozent des Jahresumsatzes in Höhe von rund 2 Milliarden Euro ausmacht, wollte der Konzern den Vertrieb deswegen sogar schon komplett einstellen. „Das Medikament hat keine strategische Bedeutung für uns, wir hätten es problemlos vom Markt nehmen können“, so der Sprecher.

Eine Umfrage unter Neurologen habe jedoch ergeben, dass das Medikament für Epileptiker zur Behandlung schwerer Anfälle lebenswichtig ist: „Ungefähr 4500 Patienten benötigen das Medikament im Jahr“, so der Sprecher. Man habe sich daher entschieden, Nembutal auf dem Markt zu lassen.

Vor einem Monat hat der Konzern aber seine Vertriebswege umgestellt: Statt über drei Großhändler liefert Lundbeck nur noch über einen Grossisten. Zudem wird jede einzelne Bestellung von dänischem Personal überprüft. „Eigentlich gibt es für die Gefängnisse inzwischen keinen legalen Weg mehr, um an das Medikament zu kommen“, so der Sprecher.

Dass es am Freitag trotzdem zu einer erneuten Todesspritze kam, habe den Konzern „schockiert und erschüttert“, so der Sprecher. Wie das Medikament ins Gefängnis gelangen konnte, ist den Dänen nicht bekannt. „Es könnte sein, dass die Gefängnisse Lager angelegt haben“, vermutet der Sprecher.

Die Gefängnisbehörde des Staates Delaware wollte sich auf Nachfrage nicht äußern, wie sie an das Arzneimittel gekommen war.