„Urlaubsstimmung wäre natürlich übertrieben“

Peissenberg: Das Testzentrum im Wohnwagen

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Foto: St. Ulrich Apotheke Peißenberg
Berlin -

Manche Apotheken führen Corona-Schnelltests in ihren Betriebsräumen durch, wieder andere mieten externe Räumlichkeiten an (wenn sie es denn in ihrer Region dürfen). Apothekeninhaber Dr. Philipp Kircher wiederum geht einen anderen Weg: Er testet seine Kunden in einem Wohnwagen vor der Apotheke.

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Ein Wohnwagen steht quer auf dem Parkplatz vor der St-Ulrich-Apotheke im bayerischen Peißenberg und blockiert damit drei Parkspuren. Eigentlich ein Ärgernis, aber in dem Fall genau so gewollt und von allen Beteiligten auch so abgesegnet: Denn mit dem Wohnwagen will niemand in den Urlaub fahren, sondern er ist das Testzentrum der nahen Apotheke. „Ich könnte die Tests theoretisch auch in meinen Betriebsräumen durchführen“, sagt Kircher. „Aber ich wollte nicht den ganzen Tag voll vermummt in der Apotheke stehen, denn das verunsichert die Kunden nur unnötig. Und außerdem will ich das Infektionsrisiko in der Offizin so gering wie möglich halten.“ Also machte er sich Gedanken und hatte auch ein bisschen Glück: Eine Freundin betreibt einen Wohnwagenverkauf und war bereit zu helfen. Unentgeltlich stellt sie ihm den Anhänger zur Verfügung.

Der Gedanke, im Wohnwagen zu testen, sei dabei gar nicht so abwegig, wie es auf den ersten Blick wirken könnte, erklärt Kircher. „Wir haben hier ringsherum Fenster und oben sogar ein Dachfenster, damit können wir besser lüften als in jedem Beratungsraum“, sagt er. Auch die Fläche – und damit der mögliche Abstand zum Patienten – sei überhaupt kein Problem. „Das ist kein kleiner Ein-Mann-Wohnwagen, sondern der ist sechs Meter lang. Außerdem ist er sehr hoch. Ich bin 1,92 Meter groß und kann aufrecht darin stehen.“

Dennoch sei er auf Nummer sicher gegangen und habe die Idee mit Kammer, Pharmazierat und Gesundheitsamt abgesprochen. Einwände habe es nirgends gegeben. „Die Pharmazieräte haben mir ein positives Feedback gegeben. Wir halten schließlich alle Auflagen problemlos ein“, sagt Kircher. Einziges kleines Problem sei in den vergangenen Tagen die Temperatur gewesen. Der Test dürfe nicht bei unter 15 Grad gelagert werden und der Wohnwagen kühlt natürlich schneller aus als ein massives Gebäude. Kircher behilft sich deshalb mit einer Thermobox.

Die Gemeinde sei sogar sehr angetan gewesen von seiner Lösung – genauso wie viele der Getesteten. „Urlaubsstimmung wäre natürlich übertrieben, aber die Leute freuen sich und finden es lustig. Manche fragen im Spaß, ob ich ihnen einen Kaffee mache oder ob noch ein kaltes Bier im Kühlschrank steht.“ Hinzu komme noch die ungewöhnliche Situation: Kircher steht im Vollschutzanzug in der Wohnwagenküche und die Getesteten sitzen am Esstisch, während er den Abstrich macht – da kommt man schon mal ins Schmunzeln. „Mir ist wichtig, dass ich mir vor dem Abstrich ein, zwei Minuten mit dem Patienten Zeit nehme, um ein wenig mit ihm zu plaudern“, erzählt Kircher. Vor allem für seine Hintergründe und die Gründe des Tests interessiere er sich dabei. „Das bringt eine gewisse Lockerheit rein und nimmt die eventuell vorhandene Angst vor dem Test, egal ob es sich dabei um die 21-jährige Schauspielerin vor dem Film-Casting handelt oder die 83-jährige Dame, die nach Ungarn auswandern möchte. Die persönliche Note hebt die Testung in der Apotheke meiner Meinung nach auch im positiven Sinne von den großen Massenabfertigungs-Testzentren ab.“

Die Anmeldung für die Tests erfolgt nicht am Wohnwagen, sondern per Drive-in an der Apotheke selbst, aber ebenfalls kontaktlos. Über ein Schiebefach werden Einwilligungserklärung und Fragebogen getauscht, danach geht es einige Meter weiter zum Wohnwagen. „Damit halten wir die Anmeldungen und mögliche Infektionen komplett aus der Apotheke heraus“, erklärt Kircher. Die Anmeldung erfolgt ad hoc oder via Telefon – digitale Terminplanungstools nutzt er nach eigenen Angaben nicht. Noch sei das auf diese Weise gut umsetzbar, das Aufkommen ist bisher recht hoch, aber noch überschaubar. „Es sind noch keine Schittenhelm’schen Verhältnisse hier“, sagt Kircher. Doch die Nachfrage steigt seit Montag kontinuierlich, betont er. Am Anfang seien es zwischen 20 und 30 Tests am Tag gewesen, am zweiten schon 50 und mittlerweile gehe es auf die 75 zu. „Irgendwann kommen wir dann auch ans Limit.“

Entsprechend der Zahlen wirft die Testung auch nicht allzu viel ab – obwohl Kircher in Bayern noch einmal drei Euro mehr pro Test bekommt als die Kollegen im Rest der Republik. „So etwas lohnt sich erst ab richtig großen Umsätzen, allein schon wegen des Materialaufkommens“, erklärt er. „Reich werden wir damit also nicht. Darum geht es ja aber auch gar nicht, sondern darum, jetzt eine Gemeinwohlaufgabe zu erfüllen. Jeder positive Test ist eine durchbrochene Infektionskette! Außerdem ist es eine gute Gelegenheit, die Apotheken vor Ort mal positiv in der Öffentlichkeit zu präsentieren.“

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