Pechsträhne: Apotheke braucht Wachschutz APOTHEKE ADHOC, 17.01.2021 07:50 Uhr
Die Zeit um den Jahreswechsel war dank Maskenverteilung in den Apotheken ohnehin Stress pur, da war es mit weihnachtlicher Stimmung nicht allzu weit her. Wenn man dann noch so eine Pechsträhne hat wie Apotheker Fatih Kaynak aus Berlin, dann hat man sich echten Urlaub erst recht verdient: Ihm säuft die Apotheke ab, die Alarmanlage geht kaputt, dann wird eingebrochen und die Tür zerstört, der Notfalltechniker kann aber nicht kommen und er steht Samstagnacht vor seiner kaputten Apotheke. Glücklicherweise war die Versicherung zur Stelle: Sie schickte ihm einen Wachschutz, der sich die Nacht in der Apotheke um die Ohren geschlagen hat.
Kaynak hatte innerhalb weniger Wochen ein ganze Menge Pech – aber auch annähernd genauso viel Glück im Unglück. Kurz vor Weihnachten, es war gerade der 3. Advent, ist er gerade mit seinem kleinen Sohn unterwegs, erhielt er einen Anrufer vom Anbieter seiner Alarmanlage: Es scheint ein Problem zu geben, die Anlage ist wohl ausgefallen, man könne nicht auf sie zugreifen. „Das war natürlich ärgerlich, aber zur Sicherheit musste ich natürlich in die Apotheke und nachschauen, was los ist.“ Also machte er sich auf den Weg und wurde eine halbe Stunde später vor seinem Betrieb bereits von den Inhabern zweier benachbarter Geschäfte erwartet – nicht jedoch wegen der Alarmanlage.
„Mir war in der Apotheke der Boiler geplatzt, alles war voll Wasser gelaufen, wirklich alles.“ Die beiden Nachbarn standen vor der Apotheke, weil das Wasser bereits begann, in ihren Keller zu träufeln. Dass die Alarmanlage ausfiel, hatte laut Kaynak gar nichts damit zu tun – der Ausfall war das erste Glück im Unglück. „Ich weiß bis heute nicht, warum die Alarmanlage ausgefallen war. Es war wohl reiner Zufall, dass das passierte, kurz nachdem der Boiler geplatzt war.“ Doch die Idee, sicherheitshalber nach dem rechten zu schauen, verschaffte ihm den möglicherweise entscheidenden Zeitvorsprung. Denn er kam gerade recht: Zwar stand überall auf dem Boden Wasser, größere Schäden blieben jedoch noch aus.
Ein Handwerker war schnell vor Ort, drehte den Haupthahn ab und nahm sich des Boilers an. „Und mein Versicherungsmakler organisierte schnell ein Räumteam. Das waren absolute Profis, die alles aufgesaugt haben, was man aufsaugen konnte.“ Durch das schnelle Eingreifen hielt sich der Schaden in Grenzen. „Lediglich der Boden in der Küche war hinüber, aber im Verkaufsraum haben wir Steinboden und einen Waren- oder Elektroschaden hatten wir auch nicht.“ Mit ein paar Lufttrocknern, die einige Wochen in der Apotheke standen, war die Geschichte ausgestanden. Und die Alarmanlage ging auch wieder. Nur wenige Wochen später sollte sie zeigen, was sie kann.
Denn Anfang Januar, ausgerechnet wieder am Wochenende, erhielt er gegen 21 Uhr wieder eine Benachrichtigung: Jemand befindet sich in seiner Apotheke, der da nicht sein sollte. „Wir haben sofort die Polizei benachrichtigt, als ich ankam, war sie schon da.“ Jemand hatte die Tür aufgebrochen – und zwar, indem er sie soweit aufbog, dass sie nicht mehr geschlossen werden konnte. Trotzdem hätte es erneut weit schlimmer kommen können: Der Einbrecher war zwar in die Apotheke vorgedrungen, hatte aber rein gar nichts entwendet. „Wechselgeld lassen wir eh nie in den Kassen, da konnte also nichts fehlen. Ich habe mich aber gleich umgeguckt, beispielsweise nach den Arzneimitteln, die manchmal bei Beschaffungskriminalität gestohlen werden, aber rein gar nichts hat gefehlt. Nicht mal das alte iPhone, das im Backoffice frei herumlag.“
Seine Vermutung: Der Einbrecher hat sich von den Durchsagen aus der Alarmzentrale verscheuchen lassen. Sobald dort nämlich ein Eindringling festgestellt wird, sprechen die nämlich durch die Lautsprecher zu ihm. „Ich weiß nicht, was die da sagen, aber es ist bestimmt nichts Nettes.“ Zumindest dabei kam er also wieder mit einem blauen Auge davon. Doch was sollte er nun mit der Tür machen? Der Wartungsvertrag mit dem Anbieter sieht auch einen Notdienst vor, also rief er dort an. Ab da wurde es kompliziert. „Die Firma hat nur einen Techniker für ein Gebiet, das von Berlin bis fast nach Schleswig-Holstein reicht. Der Techniker sagte mir, er sei bereits den ganzen Tag im Einsatz gewesen und hätte eine Anfahrt von zwei Stunden. Bis er wieder zuhause ist, wäre es bestimmt nachts um zwei gewesen“, erzählt Kaynak. „Es sagte, es wäre in seinem Zustand zu gefährlich, jetzt noch so lange Auto zu fahren, er könne frühestens Sonntagmorgen kommen.“ Den Einwand konnte Kaynak nachvollziehen, auch wenn er sich frage, wie es sein kann, dass die Firma für so ein großes Gebiet nur einen Notfalltechniker habe. Doch das half ihm nicht mit der Tür weiter. Es war Samstagabend und die Apotheke stand offen.
„Dann ging die Suche los nach jemandem, der das schnell reparieren kann. Haben Sie mal versucht, am späten Samstagabend so eine Firma aufzutreiben?“, fragt er. Keine Chance, er fand niemanden. Aber selbst wenn er hätte allein in der Apotheke Schmiere stehen wollen – er hätte sich nicht zugetraut, die ganze Nacht wach und aufmerksam zu bleiben. Wieder musste sein Versicherungsmakler ran. Und er konnte ihm mit einer unkonventionellen Hilfe beistehen: Er organisierte einen Wachdienst, der zum Service der Versicherung gehört. Gegen Mitternacht standen zwei Security-Männer auf der Matte, die sich für Kaynak in der Apotheke die Nacht um die Ohren schlugen. „Ich habe die beiden durch die Apotheke geführt, ihnen gezeigt, wo die Kaffeemaschine ist, und dann konnte ich nach Hause.“ Bis Sonntagmorgen, gegen zehn Uhr, mussten sie die Stellung halten, dann kam endlich der lang ersehnte Handwerker. „Ich weiß nicht, was die die ganze Nacht in der Apotheke gemacht haben, aber sie hatten morgens noch gute Laune“, erzählt er. Für ihn reiche es jetzt erst mal mit dem Stress, sagt Kaynak – auch wenn er sich nicht beschweren wolle. „Sowas gehört zum Beruf“, sagt er. „Ein Bademeister beschwert sich doch auch nicht, wenn er mal ins Wasser springen muss.“