Pflege zu Hause entlastet die Sozialkassen. Doch Beruf und Pflegebedürftigkeit in der Familie unter einen Hut zu bringen, ist schwierig. Muss die Politik bei den Leistungen nachbessern?
Die gesetzliche Darlehensregelung für pflegende Angehörige, die berufstätig sind, ist nach Ansicht der Deutschen Stiftung Patientenschutz gescheitert. Stiftungsvorstand Eugen Brysch sagte: „Das Konzept: Arbeitet weniger, um eure Angehörigen zu pflegen und die Versicherung gibt euch dafür einen Kredit, funktioniert nicht. Wenn das nur 300 pflegende Angehörige im Jahr in Anspruch nehmen, ist das ein Armutszeugnis für die Politik.“
Arbeitnehmer, die einen Angehörigen pflegen, haben Anspruch auf eine Auszeit im Beruf. Der Verdienstausfall kann auf Antrag durch ein zinsloses Darlehen ausgeglichen werden. 2015 gingen Bundesgesundheits- und -familienministerium von 360.000 berufstätigen Pflegenden aus. Neuere Zahlen sind derzeit nicht bekannt.
Brysch argumentierte weiter, leider fehle hier ein Wettbewerb um die besseren praktischen Angebote bei den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD. „Beruf und Pflege lassen sich nur dann vereinbaren, wenn es für pflegende Angehörige eine staatlich finanzierte Lohnersatzleistung ähnlich dem Elterngeld gibt“, sagte er. Dagegen verhakten sich die GroKo-Verhandler im Pro und Kontra um die Bürgerversicherung. „Das ist ein Streit um Ideologien, der den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen nichts bringt. Dabei sind die Nöte der Menschen offenkundig.“
„Spiegel“ und „Spiegel-Online“ berichteten ähnlich, dass das Pflegedarlehen kaum genutzt werde. Seit Anfang 2015 wurden danach 754 Anträge auf ein Pflege-Darlehen beim zuständigen Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben eingereicht, 618 bewilligte die Kölner Behörde. Das sei weniger als ein Prozent der rund 70.000 Bürger, die nach Schätzung des Bundesfamilienministeriums seitdem die Möglichkeiten der beruflichen Freistellung in Anspruch genommen haben.
Das zinslose Darlehen deckt grundsätzlich die Hälfte des durch den Pflegeeinsatz fehlenden Nettogehalts ab und wird in monatlichen Raten ausgezahlt. Empfänger müssen es nach Ende der Freistellung ebenfalls in Raten wieder zurückzahlen.
Die geringe Resonanz zeige, dass diese Bedingungen nicht attraktiv für die Betroffenen seien, schreibt Spiegel Online und zieht einen Vergleich zum Elterngeld: „Allein 2016 machten rund 1,64 Millionen Väter und Mütter, die ihre Kinder betreuen, Gebrauch von der Möglichkeit, Elterngeld zu beziehen. Sie bekommen je Kind bis zu 21.600 Euro quasi geschenkt.“
In Deutschland gibt es rund 3,0 Millionen Pflegebedürftige – Tendenz steigend. Schätzungen zufolge dürfte die Zahl in den kommenden 10 bis 15 Jahren auf 3,6 Millionen zulegen. Laut Statistischem Bundesamt werden heute fast drei Viertel zu Hause versorgt, rund 1,4 Millionen ausschließlich durch Angehörige, rund 700.000 durch Angehörige und/oder ambulante Pflegedienste.
Die Betreuung durch Angehörige entlastet die Pflegeversicherung in erheblichem Maße. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte bei seinen Pflegestärkungsgesetzen in der vergangenen Legislaturperiode immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig das Engagement der Angehörigen in einem Pflegefall sei. Zudem versucht der Gesetzgeber gemäß dem Motto „Reha vor Pflege“, dass sich Menschen mit geistig-seelischen Gebrechen wie Demenz oder körperlichen Behinderungen möglichst lange selbst versorgen können.
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