In Arztpraxen sind Faxgeräte und Nadeldrucker für die Rezepte noch weit verbreitet – die Digitalisierung soll im deutschen Gesundheitswesen aber Tempo aufnehmen. Dabei sind viele Bundesbürger und Mediziner aufgeschlossen für neue technische Möglichkeiten, es gibt aber auch Vorbehalte – vor allem bei der Sicherheit sensibler Daten, wie eine Umfragen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und des IT-Branchenverbands Bitkom ergaben. Patientenschützer mahnen für den künftigen Einsatz von Robotertechnik in der Pflege eine breite Diskussion über ethische Grenzen an.
Gerade angesichts der Personalnot in der Pflege könnten neue Systeme nützlich sein. Eine stärkeren Einsatz digitaler Anwendungen wünschen sich 53 Prozent der Bundesbürger, wie die Bitkom-Studie ergab. Dabei rechnen die Befragten in den nächsten zehn Jahren vor allem mit einer starken Verbreitung praktischer Angebote: Notfall-Benachrichtigungen an Angehörige per Smartphone, Ortungen pflegebedürftiger Menschen zum Beispiel mit Demenz über satellitengestützte GPS-Systeme oder Sensoren am Bett und im Zimmer. Als größte Chancen der Digitaltechnik nennen 76 Prozent ein längeres selbstbestimmtes Leben und Wohnen und 72 Prozent mehr Zeit des Personals für die eigentliche Pflege.
Allerdings können sich laut der Umfrage unter 1004 Menschen ab 18 Jahren auch 57 Prozent nach eigenem Bekunden nicht vorstellen, sich zumindest teilweise von einem Roboter pflegen zu lassen. Als gravierendste generelle Probleme gelten Datenschutz und Datensicherheit (57 Prozent). Dass es eine weniger am Menschen ausgerichtete Pflege geben könnte, gibt 55 Prozent zu denken.
„Roboter können in der Pflege helfen, aber sie dürfen die Pflege von Mensch zu Mensch nicht ersetzen“, betont auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Gebraucht werde daher ein Diskurs darüber, wie eine die Würde wahrende Pflege und moderne Technik verbunden werden könnten. „Der Bundestag ist gefordert, eine Kommission 'Ethik und Automatisierungstechnik in der Pflege' einzusetzen“, sagte Brysch.
Um menschenähnliche Roboterwesen geht es bei einer Digitalisierung der Pflege ohnehin nicht, wie Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder deutlich machte – sondern etwa um Sturzsensoren oder technische Hilfe, wenn alle Pflegeheimbewohner zugleich Mittagessen bekommen sollen und das Personal nur unzureichend hinterherkommt. Ob digitale Pflege billiger als menschliche Pflege ist? Zu den Kosten solcher Leistungen gebe es noch keine belastbaren Daten, heißt es beim Bitkom. Wenn jemand stürzt und mit Sensortechnik schneller gefunden wird, vermeide das aber einen schwereren medizinischen Fall.
Ärzte und Psychotherapeuten sehen Chancen für ihre Praxen vor allem in elektronischen Plänen der einzunehmenden Medikamente, digitalen Notfalldaten und E-Verordnungen, wie die KBV-Befragung unter 1700 Medizinern ergab. Das gilt auch für digitale Mutter- und Impfpässe. Hemmnisse sehen viele Ärzte dagegen etwa bei der IT-Sicherheit. Alle Maßnahmen der Digitalisierung sollten idealerweise den Arzt entlasten und der Zeit für die eigentliche Arbeit mit Patienten zugutekommen, unterstrich Kassenärzte-Chef Dr. Andreas Gassen.
Derzeit ist das digitale Bild noch recht unterschiedlich. Laut der Umfrage haben 58 Prozent der Praxen ihre Patientendokumentation weitgehend digitalisiert und 56 Prozent die Terminplanung und das Management von Wartezeiten. Mit anderen Ärzten und Krankenhäusern läuft der Informationsaustausch dagegen noch weit überwiegend auf Papier. Möglichkeiten für Patienten, Terminvereinbarungen oder Rezeptbestellungen online zu machen, bieten rund 60 Prozent nicht.
Nach jahrelangem Gezerre um zusätzliche Funktionen der elektronischen Gesundheitskarte dringt auch die Bundesregierung auf mehr Tempo. Im Koalitionsvertrag ist bis 2021 die Einführung elektronischer Patientenakten vereinbart, die Versicherte freiwillig nutzen können - auch per Smartphone. Ärzte und gesetzliche Kassen verständigten sich gerade auf eine generelle Struktur dafür. Die Anbindung aller Praxen an die neue Datenautobahn des Gesundheitswesens verzögert sich jedoch wegen fehlender Geräte. Bis Jahresende dürften maximal 50.000 aller 150.000 Praxen von Ärzten und Zahnärzten damit ausgestattet sein.
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