Palliativversorgung

„Ohne Apotheker geht es nicht“

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Berlin -

Unheilbare Krankheiten sind oft mit langen Klinikaufenthalten verbunden. Patienten, die kurz vor dem Tod stehen, wollen zurück nach Hause, um bis zuletzt bei ihrer Familie zu sein. Ärzte und Pfleger der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) können diesen Wunsch unterstützen. Dr. Jörg Cuno, Internist und Chefarzt an der Klinik für Palliativmedizin Bamberg, leitet ein solches Team. Die Apotheker sieht er auf Augenhöhe.

„Früher war es normal, zu Hause im Kreise der Familie zu sterben. Inzwischen wird das Thema Tod leider oft tabuisiert. Es ist mit vielen Ängsten verbunden“, sagt der Arzt. Sein SAPV-Team von der Sozialstiftung Bamberg betreut mit fast 30 Mitarbeitern Patienten in der Stadt und sechs umliegenden Landkreisen.

Derzeit werden etwa 750 Menschen unterstützt. 500 Patienten versorgt Cuno zudem stationär in der Bamberger Klinik für Palliativmedizin. Die meisten seiner Patienten seien zwischen 60 und 70 Jahre alt. „Doch wir haben genauso schon 18- und 98-Jährige behandelt“, sagt er.

Da alle Palliativpatienten bereits eine medizinische Vorgeschichte haben, ist laut Cuno eine gute Zusammenarbeit zwischen Palliativ-Team und den bereits mit dem Patienten vertrauten Gesundheitsversorgern wichtig: „Da sollte kein Konkurrenzkampf herrschen“, betont Cuno. Hausärzte würden den Patienten und seine Erkrankungen genau kennen. Er solle daher keinesfalls durch den Palliativarzt verdrängt, sondern nur unterstützt werden. Gleiches gelte für die Palliativpfleger: Sie wollten den Pflegedienst nicht ersetzen, sondern ergänzen.

Neben den Ärzten und Pflegediensten sind auch die Apotheker in das palliative Versorungsnetzwerk eingebunden: „Berührungspunkte ergeben sich etwa dadurch, dass Apotheker die Betäubungsmittelvorräte der Ärzte kontrollieren und beliefern“, sagt Cuno. Da sei eine gute Zusammenarbeit entscheidend. Auf Palliativversorgung spezialisierte Apotheker würden für Ärzte auch Fortbildungen zu Arzneimittelmonographien anbieten.

Die Kooperation sei zudem wichtig, um einen Todkranken schnellstmöglich mit Medikamenten versorgen zu können. Zwar dürfe nur der Patient selbst oder ein Bevollmächtigter das Rezept tatsächlich in der Apotheke einlösen. „Aber der Arzt kann die Arbeit des Apothekers erleichtern, indem er schon vorab beim Hausapotheker anruft und ankündigt, was der Patient benötigt“, erklärt Cuno. Dann könne sich der Apotheker darauf einstellen und das Medikament gegebenenfalls beim Großhändler bestellen.

Der Apotheker sei oft der erste Ansprechpartner für einen Patienten und kenne seine Krankheitsgeschichte. Daher sieht Cuno die Apotheker als „beratenden Begleiter“ des Patienten: „Ohne die Apotheker geht es nicht.” Außerdem behandele ein Hausarzt auf dem Land meist nur ein bis fünf unheilbar Kranke. Der Apotheker im Ort hat im Durchschnitt wahrscheinlich zu mehr Palliativpatienten Kontakt und kann daher noch besser Hinweise zu Info-Portalen, Selbsthilfegruppen oder dem SAPV-Team geben“, sagt der Arzt.

In allen Landkreisen um Bamberg gebe es dezentrale Stützpunkte des SAPV-Teams: „Das verkürzt die Wege zu den Patienten“, erklärt Cuno. Gerade in Flächenländern wie Bayern sei es sinnvoll, nicht nur einen zentralen Versorgungspunkt einzurichten. Denn die Palliativversorger machten Hausbesuche; zu jedem Patienten kämen sie etwa ein- bis zweimal pro Woche. Erreichbar seien die Mitarbeiter in Notfällen außerdem rund um die Uhr, ergänzt der Mediziner.

Es gebe in Deutschland jedoch weiterhin Regionen, in denen die palliative Versorgung noch nicht ausreichend aufgebaut sei, zum Beispiel Ostbayern, sagt Cuno. Gerade in solchen Gegenden müssten sich Versorgungsteams mehr vernetzen, rät er.

So könnten Kosten gespart werden: „Mehrere Teams könnten gemeinsam eine zentrale Verwaltungsstruktur nutzen. Dann können sich die kleinen Teams zudem auf das Wesentliche konzentrieren: die Patienten.“

Palliativmedizin versteht Cuno als Gegenentwurf zur Sterbehilfe. Manche Todkranke wünschen sich zwar, zu sterben. Dieser Gedanke werde oft stigmatisiert: „Du darfst so etwas nicht sagen“, heißt es etwa von Angehörigen. Aber allein diese Äußerung zuzulassen, entlaste Patienten bereits, sagt Cuno. „Wenn mir einer meiner Patienten diesen Wunsch anvertraut, frage ich vorsichtig nach, was sich ändern müsste, damit sie diesen Wunsch nicht mehr hätten“, ergänzt er.

Als Antwort komme dann meist, dass ständige Sorge um sich und Angehörige, die Schmerzen oder Symptome wie Erbrechen nicht erträglich seien. „Genau da versucht die Palliativversorgung anzusetzen“, erklärt Cuno. „Wir können Linderung verschaffen. In Extremfällen biete ich Patienten an, sie in einen Zustand zu versetzen, der mit einem tiefen Schlaf vergleichbar ist.“

Außerdem arbeite das SAPV-Team multidisziplinär: „Wir werden durch Seelsorger, Sozialarbeiter, Hospizpfleger und Psychologen unterstützt“, erklärt der Arzt. Cuno unterstreicht, dass Palliativpflege das Leben bejahe, da sie sich für ein Lebensende in Würde und ohne Schmerzen einsetze: „So kann bis zum Ende die Lebensqualität aufrecht erhalten werden.“

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