Organtransplantation

Organspende bleibt Vorsatz

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Die Zahl Organspenden ist 2008 erstmals seit Jahren deutlich zurückgegangen. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) lang sie unter 15 Spender pro einer Million Einwohner. Spenderorgane sind damit trotz grundsätzlich großer Spendebereitschaft in Deutschland Mangelware - in höherem Maß als in anderen EU-Ländern. Jeden Tag sterben im Schnitt drei Menschen, die auf der Warteliste sind. Vor dem erwarteten Bericht der Bundesregierung zur Lage nach zehn Jahren Transplantationsgesetz fordern Experten umfassende Reformen.

„Die Verteilung wird immer schwieriger, weil es immer weniger Organe gibt“, sagt Professor Dr. Roland Hetzer, Direktor des Deutschen Herzzentrums in Berlin. 79 Prozent der Menschen stehen dem Spenden der eigenen Organe nach dem Tod laut einer Forsa-Umfrage positiv gegenüber - aber nur 14 Prozent haben einen entsprechenden Ausweis. Rund 12.000 Menschen in Deutschland warten auf ein Organ. Etwa 4000 Organe werden pro Jahr gespendet.

„Die Kliniken sind verpflichtet, Hirntote als Organspender zu melden, aber sie tun es zu selten“, kritisiert Hetzer. DSO-Vorstand Professor Dr. Günter Kirste sagte: „Die Krankenhäuser sind völlig überfordert damit.“ Stress auf den Intensivstationen und klamme Kassen prägen den Alltag vieler Kliniken. Kirste fordert nach Beispiel des Musterlandes Spanien die generelle Ausstattung großer Krankenhäuser mit extra für die Organspende zuständigen Beauftragten.

Vor allem hinsichtlich der Nieren, bei denen wegen paarweiser Anlage Lebendspenden möglich sind, wird verstärkt über eine Aufweichung des Tabus einer Kommerzialisierung debattiert. Der Medizinrechtler Professor Dr. Jochen Taupitz, Mitglied des Deutschen Ethikrats, spricht sich für eine Aufwandsentschädigung bei der freiwilligen Abgabe einer Niere aus. Andere Experten sehen das Operationsrisiko mittlerweile als so weit gesunken an, dass Organe von Hirntoten nicht mehr unbedingt Vorrang haben sollten.

Hetzer befürwortet die etwa in Österreich gültige Widerspruchsregelung: Jeder ist hier ein potenzieller Organspender - außer der Gestorbene hat einen ausdrücklichen Einspruch hinterlassen oder seine Angehörigen sind dagegen. Bei Ministerin Schmidt stößt diese Forderung auf taube Ohren. Sie findet, „dass der Mensch selbst entscheiden muss“. Auch Kirste ist skeptisch. Das Kernanliegen des DSO-Chefs ist ein Ende des Kompetenzwirrwarrs: „Wir brauchen eine Organisation mit klaren Kompetenzen.“

Ein Bericht des Gesundheitsministeriums zur Wirkungsweise des Transplantationsgesetzes verzögert sich seit längerem und soll nun im ersten Halbjahr vorgelegt werden. Er dürfte die Debatte weiter anheizen. Das Gesetz hat nach Hetzers Ansicht gewirkt - allerdings „nachteilig“. Er meint: „Es gibt in Deutschland viele Leute, denen die Toten wichtiger sind als die Lebenden.“

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