Ottobock ist ein Premiumhersteller für Prothesen und Orthesen und zielt im Marketing auf die Endkunden ab. Dafür nutzt das Familienunternehmen aus Duderstadt soziale Medien und setzt auf authentische Werbung von Menschen, die Prothesen und Rollstühle des Herstellers tatsächlich verwenden. Wie Follower in sozialen Netzwerken zu Markenbotschaftern werden, erklärte Marketingleiterin Christin Gunkel bei der Digitalkonferenz VISION.A.
Für Gunkel ist die Online-Präsenz eines Unternehmens nur eine Erweiterung des Offline-Auftritts – beides zusammen ergibt das Markenerlebnis. Zugleich sei es notwendig, in den sozialen Netzen authentisch zu bleiben: „Erfinden Sie keine Geschichten von begeisterten Kunden“, mahnt Gunkel.
In den Netzwerken gehe es nicht darum, nur eine Werbebotschaft an eine anonyme Masse zu senden. „Die neuen Medien sind interaktiv – sie können persönliche Kommunikation nachahmen“, sagt Gunkel. Das sollten Unternehmen für sich nutzen, um näher an den Kunden heranzurücken. Anfragen sollten daher immer beantwortet werden; auf positives und negatives Feedback von Kunden sollte in sozialen Netzen schnell reagiert werden. „Echte Kommunikation ist die nächste große Sache“, prophezeit sie.
Wer eine Community aufbauen wolle, sollte sich ein klares Ziel setzen: Will das Unternehmen Fans eine Plattform bieten, sich über die Produkte auszutauschen? Dann sollten besonders positive Posts von Kunden im Netzwerk hervorgehoben werden. Geht es dagegen darum, einen funktionalen Informationskanal zu schaffen, müssen insbesondere negative Rückmeldungen ernst genommen und schnell geklärt werden.
Selbst negative Posts müssen nicht per se schlecht für das Firmenimage sein. Sie könnten ins Positive umgedreht werden, sagt Gunkel. Wichtig sei es, Kunden in den sozialen Medien ernst zu nehmen.
Follower würden zwar als „Währung“ im Netz gehandelt, seien es aber nur bedingt, sagte Gunkel. „Besser als Follower sind Botschafter der Marke. Denn das Folgen allein lässt noch keinen Dialog zu Kunden entstehen“, erklärt sie. Wenn Follower dagegen für die Marke aktiv würden und für sie sprechen, sei das „super glaubwürdig“. Bei Ottobock gehört etwa der Sprinter Heinrich Popow dazu, der 2012 über die 100 Meter eine paralympische Goldmedaille gewonnen hat.
Gunkel empfiehlt darüber hinaus, die eigene Community genau zu kennen. Hier seien Apotheker im Vorteil, die direkten Kontakt zu ihren Kunden hätten. Gerade im Gesundheitsbereich entwickelten sich Menschen schnell zu Experten. „Das Wissen der Betroffenen können Unternehmen in den sozialen Medien einfangen und nutzen“, sagt sie.
Nicht in den sozialen Medien aktiv zu sein, sei keine Option mehr: „Auch wenn Sie dort nicht unterwegs sind – Ihre Kunden sind es“, sagt Gunkel. Die Firmenauftritte müssten zudem aktiv gepflegt und betreut werden. Denn: „Es kann sein, dass ein Kunde über diesen Kanal mit einem Auftrag auf Sie zukommt.“ Es sei entscheidend, zeitnah auf Kundenreaktionen einzugehen. Demnach müssten personelle Ressourcen dafür eingeplant werden. „Social Media ist ein Vollzeitjob, das geht nicht einfach nebenbei“, sagt Gunkel.
Gunkel berichtete, dass Überraschungen in den Netzwerken beim Kunden gut ankämen. Als Beispiel nannte sie ein von Ottobock verbreitetes Foto einer Sportlerin, die darauf trotz Beinprothese High Heels trug. „Eine Kundin kommentierte das Bild; sie fragte, wie es möglich sei, mit Prothesen hohe Schuhe zu tragen“, erzählte Gunkel. Der Social-Media-Manager habe die Anfrage gesehen und konnte die Sportlerin für ein spontanes Interview gewinnen, in dem sie über die Sonderanfertigungen des Herstellers sprach. „Das ist sehr gut angekommen“, so Gunkel.
Sie warnt, dass Aktionen in den sozialen Medien unerwartet schnell sehr weit reichen könnten. Eine zeitnahe Reaktion auf alle Kommentare sei dann unmöglich. „Doch unerwiderte Liebe kann in Hass umschlagen. Die Stimmung kippt, wenn Kunden sich zu lange unbeachtet fühlen“, sagte Gunkel. Sollte es schon zum Shitstorm gekommen sein, rät sie dazu, einen Schlagabtausch mit verärgerten Kunden in den öffentlichen Kommentaren zu vermeiden: „Verlagern Sie die Kommunikation in eine E-Mail oder ein Telefonat.“ Auch wenn der Sturm schon vorüber sei, solle die Beschwerde ernst genommen und der Kunde kontaktiert werden.
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