Notdienst! Wie habe ich es vermisst. Nicht. Obwohl – mit Max ist es immer sehr lustig in meiner kleinen Apotheke. Mein Fantaschalen-Gefährte schaut heute aber etwas vergilbt aus der nicht vorhandenen Wäsche. Die letzte Tretinoin-Rezeptur hat ihre Spuren hinterlassen. Da muss ich wohl später nochmal ein bisschen nachschrubben, sonst meckert er wieder die ganze Nacht und ich kann kein Auge zumachen.
Gerade sortiere ich in akribischer Manier die Weihnachtstees nach Farbe, da schellt die Notdienstglocke. Ich sprinte engelsgleich auf meinen plüschigen Hausschuhen zur Notdienstklappe. „Ho ho ho“, entfährt es mir sofort. Vor mir steht ein roter Weihnachtsmann wie er im Buche steht: Sein flauschiger weißer Bart erstreckt sich bis zur Brust, seine Zipfelmütze ist ähnlich lang und auf dem Rücken trägt er einen großen braunen Kartoffelsack. Vermutlich ohne das beliebte Herbstgemüse, dafür aber sicherlich mit Konsumgütern erster Klasse.
Ich ernte ein verschnupftes „Hö hö hö“ zur Antwort. „Ich hätte gerne ein Nasenspray, Ohropax und Kontaktlinsenflüssigkeit.“
„Nichts leichter als das“, sage ich und drehe mich schon um, da kommt noch ein Nachtrag: „Und ein Rezept habe ich auch noch.“
Es ist ein Rezept über Tamsulosin. Klassiker.
Ich marschiere nach hinten und suche alles zusammen. Auf welchem Weihnachtsmarkt auch immer dieser arme Mann angestellt ist: Es scheint da wohl ziemlich laut zu sein. Oder seine Frau schnarcht, Ohropax sind da ja vielseitig verwendbar.
Ich bringe alles nach vorne und kassiere ab. Kein spektakulärer Vorgang. Als ich aber später das Rezept genauer betrachte, fällt mir erst der seltsame Arzt-Stempel auf: Dr. G. Weih – Ärztin für Rentier- und Spezialmedizin. Die LANR ist 100000001. Seltsam. Und im Nachhinein betrachtet sah dieser Bart ziemlich echt aus. Es ist doch nicht möglich, dass das wirklich der Weihnachtsmann gewesen sein soll. Der würde sich doch nicht bei der AOK versichern. Oder doch?
„Max, du glaubst nicht, wer da war!?“
„Der heilige Geist?“
„Fast. Der Weihnachtsmann!“
„Jaaaa, der war letztens auch bei Rewe in der Süßwarenabteilung.“
„Nein, der echte! Der ganz echte wirklich leibhaftige Weihnachtsmann!“
„Das ist doch Schmarrn, den gibt’s ja gar nicht.“
„Wenn du wüsstest...“
„Süß, wie du an deiner Kindheit festhältst, Sarah.“
„Heeeey! Und was hast du überhaupt in der Süßwarenabteilung gemacht?“
„Tjaaa. Geheim“, sagt Max und rollt vielsagend aus dem Raum.
Er weiß genau, wie verrückt ich nach Lakritz-Schnecken bin. Ob er sich das wohl gemerkt hat? Es geht doch nichts über aufmerksame Kollegen!
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