Fachkräftemangel? Dieses Wort kennt Apotheker Erich Hrdina, Besitzer der Seehund-Apotheke auf Juist, nicht. „Die Saisonkräfte rennen uns die Bude ein“, sagt er. Kein Wunder: drei Stunden Mittagspause, die man am Strand verbringen kann, sind ein eindeutiges Argument für die Work-Life-Balance auf einer der schönsten Inseln Deutschlands. Dünen, Strandkorb, Seehunde...
„Ich stelle auch eine Wohnung, bei den Preisen auf der Insel kann man nicht erwarten, dass das ein Mitarbeiter bezahlt“, sagt Hrdina. Vor der Seehund-Apotheke hält zweimal täglich die Transportkutsche, dann ist die Medikamentenlieferung eingetroffen. „Wir leben nur vom Sommer“, sagt Hrdina. „Ohne Touristen könnte ich die Apotheke nicht führen.“
Die Feriengäste kommen in Scharen, rund 100.000 Feriengäste zählt die Tourismusverwaltung im Jahr. Eine imposante Zahl, wenn man bedenkt, dass auf der Insel nur 1600 Menschen leben. Rund 7000 Gästebetten gibt es, von der kleinen Pension bis zum großen Hotel. Auf der Internetplattform booking.com gibt es derzeit nur noch ein freies Zimmer. Im schicken Strandhotel Juist wohnt man in allerbester Lage mit Meerblick für 340 Euro die Nacht.
In diesem Sommer gehen besonders zwei Arzneimittel gut: die gegen Erkältung und Medikamente gegen Blasenentzündung. Der Apotheker hat einen neuen Trend ausgemacht, der sozusagen die „Krankheit der Saison“ mit sich bringt: „Die Menschen sitzen abends gern auf der Terrasse, egal, bei welchem Wetter. Sie trinken Alkohol, dann merken sie die Kälte nicht.“ Die Rechnung kommt prompt in Form einer Erkältung oder Blasenentzündung.
Weitere Verkaufsrenner der Saison sind die Klassiker wie Sonnen- und Sonnenbrandcreme. Als kleines Souvenir, das gerne gekauft wird, empfiehlt der Apotheker die Gummibärchen mit Unternehmens-Schild. Die Seehund-Apotheke auf Juist hat 365 Tage im Jahr geöffnet, in den Sommermonaten arbeiten drei Apothekerinnen und eine PTA, im Winter ist es eine Apothekerin weniger.
Wie alle Apotheker leidet auch Erich Hrdina unter der Online-Konkurrenz. Aber klagen möchte er nicht: „Es geht mir gut. Ich kann es nachvollziehen, dass die Einheimischen viel online bestellen. Dieser Umsatz fehlt uns natürlich, aber ich will mich nicht beschweren, es geht uns gut. Ich bin Realist. Das ist der Trend, auch die Supermärkte auf der Insel leiden darunter. Auch die Touristen bestellen vieles online, ein Supermarkt liefert zum Festlandpreis alles, das kommt toll bei den Leuten an.“
Er hat überlegt, selbst einen Online-Shop einzurichten, die Idee aber wieder verworfen. „Die Logistik auf der Insel ist zu kompliziert.“ Die Ware müsste erst per Post geschickt, per Pferdekutsche zur Apotheke geliefert und von dort aus dann weiter verteilt werden. Der Postweg hat seine Tücken: „Oft kommt die Ware um zwei bis drei Tage verzögert an, das ist nicht kalkulierbar.“ Nur dringende Medikamente werden per Hubschrauber geliefert. Und wer als Notfall ins Krankenhaus muss, wird ebenfalls per Flugzeug transportiert.
Auf Juist geht ohne Pferde nichts. Weil Autos auf der Nordseeinsel seit jeher verboten sind, wird der gesamte Transport mit Vierbeinern abgewickelt. Vor der Seehund-Apotheke hält zweimal am Tag die Transportkutsche.
Erich Hrdina kam 1983 auf die Insel. „Ich habe in Berlin studiert und lebte dort. Nach meiner Scheidung wollte ich eigentlich nur Urlaub machen“, erzählt der 67-Jährige. Und weil es auf Juist so schön ist und gerade ein Betreiber für die Insel-Apotheke gesucht wurde, blieb er. „Ich bin jetzt ein Landei“, sagt er.
So kommt man auf die Insel: Es gibt zwei Linienflüge von Norddeich täglich, einen morgens um acht, einen um 15 Uhr. Der Flug dauert rund fünfzehn Minuten, es ist der kürzeste Linienflug Deutschlands. Insulaner benutzen die Flieger wie Städter ein Taxi. Als Alternative können Reisende auch die Fähre nehmen. Im Hafen warten dann schon die Kutschen, die die Touristen an ihren Sehnsuchtsort bringen.
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