In einem Pflegeheim in Oberhausen kam es Anfang September zu Zwischenfällen nach Drittimpfungen. Ein Schreiben, in dem Ärzt:innen darüber informiert werden, dass Auffrischimpfungen immer Einzelfallentscheidungen bleiben, sorgt für Aufregung.
Im Seniorenheim in Oberhausen-Holten erhielten am 1. September insgesamt 89 Bewohner:innen ihre dritte Dosis Comirnaty. Bei neun Personen kam es zu starken Impfreaktionen. Zwei der Betroffenen mussten reanimiert werden – einen Todesfall gab es nicht. Beide Personen wurden anfangs intensivmedizinisch versorgt. Beiden Patienten geht es gesundheitlich wieder besser. Durchgeführt wurden die Impfungen von einer Ärztin, die bereits seit Beginn der Impfkampagne im vergangenen Winter Vakzine als Teil mobiler Teams in Alten- und Pflegeheimen verabreicht.
Zwischen der Zweit- und Drittimpfung muss ein Abstand von mindestens sechs Monaten liegen – das sei bei allen Bewohner:innen, die an diesem Tag ihre Impfung erhielten, der Fall gewesen. Weder die Stadt Oberhausen noch die Ärztekammer Nordrhein können einen Zusammenhang zwischen den Symptomen und der Impfung bestätigen. Bislang seien über 11.000 Auffrischimpfungen in Nordrhein durchgeführt worden. In keinem anderen Alten- oder Pflegeheim sind bislang ähnliche Fälle dokumentiert worden.
Bei den Symptomen der Oberhausener Pflegeheimbewohner:innen handelte es sich vor allem um neurologische Störungen, Herz-Kreislauf- und Atemwegsprobleme. Probleme bei der Aufbereitung oder Lagerung sollen nicht aufgetreten sein. Der Prozess an sich – ob nun falsche Lagertemperatur oder Verunreinigungen – seien mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der Grund für die Reaktionen. Die unerwünschten Ereignisse wurden dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gemeldet. Abgeschlossen ist der Fall noch nicht.
„Die gesundheitlichen Zwischenfälle traten ausschließlich in einem der beiden betroffenen Häuser auf, und zwar ausschließlich in einer Wohngruppe mit dementiell erkrankten Personen“, informiert die Stadt Oberhausen. „Aus Sicht des Gesundheitsamtes werden die beschriebenen Vorkommnisse als relevante gesundheitliche Ereignisse interpretiert, bei denen zum aktuellen Zeitpunkt nicht sicher unterschieden werden kann, ob und wenn ja, bei welchen Personen ein kausaler Zusammenhang zwischen den berichteten gesundheitlichen Ereignissen und den zuvor durchgeführten Impfungen besteht.“
Man müsse auch berücksichtigen, dass es sich um mehrfach vorerkrankte ältere Personen handele: „Vermutlich haben unterschiedliche Umstände, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung standen, bei den multimorbiden beziehungsweise vorerkrankten Personen zu dieser Situation geführt: Dazu gehören die unter anderem antihypertensive Dauermedikation und die meteorologische Situation mit zunehmender Wärmebelastung und der dadurch bedingten Gefahr der unmittelbaren Dehydratation.“
Als Reaktion auf die Vorkommnisse kam es zum Verschicken eines Schreibens durch den Kreisstellenvorsitzenden der Ärztekammer Mönchengladbach an alle dort impfbefähigten Ärzt:innen. Dieses sei ohne Absprache verteilt worden. „Das Schreiben wurde mit uns nicht abgestimmt und ist in eigener Verantwortung des Unterzeichners entstanden – sicher auch als Reflex auf die Ereignisse in Oberhausen“, erläutert Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KV Nordrhein. D
as Schreiben könnte mit Drittimpfungen beauftragte Mediziner:innen verunsichern, da es darauf hinweist, dass Auffrischimpfungen aktuell noch als Einzelfallentscheidung zu handhaben sind. Bergmann erläutert deshalb weiter: „Im Grunde gibt er damit nur wieder, was auch die Gesundheitsministerkonferenz am 6. September in Bezug auf Auffrischungsimpfungen für Über-60-Jährige beschlossen hat: Nämlich, dass die Impfungen nach ärztlichem Ermessen sowie individueller Abwägung erfolgen sollten – und auch nur dann, wenn der Abschluss der Covid-19-Impfserie mindestens sechs Monate zurückliegt.“
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