Christina Haar, Inhaberin der Roland-Apotheke im Bremer Stadtteil Findorff, hat im Notdienst alle Hände voll zu tun. Gerade an Sonn- und Feiertagen ähnelt die Kundenfrequenz im Notdienst fast der eines regulären Arbeitstags. Doch nicht immer handelt es sich bei den Anliegen der Kundinnen und Kunden um einen echten Notfall, wie die Apothekerin berichtet.
Der Notdienst in Bremen ist gut organisiert, erklärt Haar. „Alle 25 Tage haben wir Dienst.“ Der Plan wurde kürzlich angepasst, um den Rhythmus langfristig halten zu können und die zuvor separat organisierte Region Bremen-Nord mit einzubeziehen.
„Wir haben nächtliche Notdienste an Wochentagen, die in der Regel gut handelbar sind. Sonntags oder an Feiertagen arbeiten wir jedoch oft zu zweit, weil wir mit einem hohen Andrang rechnen müssen“, berichtet sie. Bei ihrem letzten Sonntagsdienst von 9 bis 19 Uhr zählte sie rund 225 Kunden in der Apotheke.
Die Roland-Apotheke liegt zentral in der Stadt, nahe einem Ärztezentrum. Daher werden dort häufig Rezepte von Bereitschaftsärzten eingelöst. „Ob die wirklich immer dringend sind, entscheidet natürlich der Arzt“, erklärt Haar. Meistens werden Antibiotika im Notdienst benötigt. Dazu kommen viele Kinderarzneimittel und Augentropfen. Auch Blasenentzündungen sind ein häufiges Thema, erzählt die Apothekerin.
Doch auch ohne Rezept suchen Kundinnen und Kunden im Notdienst häufig Hilfe. „Im Frühjahr und Sommer beraten wir oft zu Sonnenbrand und Pollenallergien, im Winter sind es Erkältungsmittel.“ Nasenspray sei eigentlich immer gefragt, ergänzt Haar. Auch die Pille danach werde regelmäßig nachgefragt.
Die Abwicklung durch die Notdienstklappe sei dabei eine Herausforderung: „Diskretion ist hier schwierig, obwohl wir immer auf Abstand achten.“ Wenn es besonders voll ist, öffne die Apotheke – wenn möglich – die Türen, um Beratungen besser durchführen zu können. Besonders zeitintensiv seien außerdem Entlassrezepte aus dem Krankenhaus, da diese meist eine umfangreichere Beratung erfordern.
Lieferengpässe machen natürlich auch vor dem Notdienst nicht Halt. „Es gibt immer wieder Situationen, in denen Patienten dringend Medikamente brauchen, die wir erst beschaffen müssen“, erklärt Haar. Dabei werde mit anderen Apotheken telefoniert, und man tausche sich kollegial aus, wenn es zeitlich möglich ist. Manchmal müssten aber auch die Patienten oder Angehörigen selbst aktiv werden und nach Alternativen suchen.
„Teilweise kommt es sogar vor, dass Patienten weite Strecken auf sich nehmen müssen, um dringend benötigte Medikamente zu bekommen“, erzählt sie. So sei eine Patientin aus Hamburg-Nord eineinhalb Stunden zu ihrer Apotheke gefahren, um an einem Samstagabend einen Fiebersaft für ihr Kind zu erhalten. „Damals herrschte ein großer Mangel an Paracetamol und Fiebersäften für Kinder. Wir hatten Glück, weil wir gerade beliefert worden waren, und konnten helfen.“
Nicht jede Kundin oder jeder Kunde kommt jedoch mit einem Notfall in die Apotheke. Haar hat immer wieder Fälle erlebt, die problemlos bis zum nächsten regulären Öffnungstag hätten warten können. „In einem meiner Notdienste kam eine Frau, vielleicht Anfang 20, mit ihrem Freund nachts um 3 Uhr. Sie erklärte, einen dringenden Notfall zu haben – und brauchte eine Feuchtigkeitscreme von La Roche-Posay“, erinnert sie sich.
Das sei kein Einzelfall. Immer wieder kämen Kundinnen und Kunden, um ihre Hausapotheke zu bevorraten oder Kosmetika zu kaufen. „Ich stehe gerne für Eltern mit kranken Kindern auf, aber bei weniger dringenden Anliegen, wie Vorratskäufen, fällt das Aufstehen schon schwer“, erklärt Haar. „Für Vorratskäufe ist das nicht der richtige Tag.“
„Ein Patient kam an einem Samstagabend, weil er dringend einen Blutdrucksenker benötigte. Der Versandhandel hatte das Medikament nicht rechtzeitig geliefert“, erinnert sich die Apothekerin. Doch der Patient hatte das Rezept nicht dabei – es lag noch beim Versender. „Ich erklärte ihm, dass ich ihm das Medikament ohne Rezept nicht aushändigen kann, und er wurde dann auch noch wütend auf mich.“
Solche Situationen seien besonders belastend, so Haar, da die Versender im Gegensatz zu Vor-Ort-Apotheken keine Notdienste übernehmen müsse. „Das ist ein großes Ungleichgewicht. Jetzt müssen wir die Fehler des Versandhandels auch noch ausbaden.“