Kerstin Boragk und ihr Team haben es so gut wie geschafft: Nach mehr als einem halben Jahr im Notquartier können sie ihre Löwen-Apotheke im sächsischen Großenhain wieder beziehen. Die musste im Januar evakuiert werden, weil die Decke der Offizin wegen eines massiven Wasserschadens einsturzgefährdet war. Seitdem hieß es hoffen und laufen: Boragk und ihre Mitarbeiterinnen mussten ständig die 150 Meter zwischen Apotheke und Behelfsoffizin zurücklegen. Nun müssen sie nur noch den Feinschliff erledigen, dann ist die abenteuerliche Episode abgeschlossen.
Wenn alles gut geht, wolle sie Anfang September zurück in die Apotheke, kündigte Boragk bereits im Juni an. Und es sieht so aus, als sei alles gut gegangen. Sie sei sich selbst nicht ganz sicher gewesen, dass es mit der selbst gesetzten Deadline klappt, räumt sie nun ein. Doch der Blick in die Offizin macht große Hoffnung.
Denn in der Großenhainer Löwen-Apotheke wird derzeit gewerkelt, was das Zeug hält. Wegen der Sanierung und der baulichen Maßnahmen zur Stützung des beschädigten Deckengewölbes muss auch am historischen Mobiliar nachgebessert werden. Wie zuvor erhält Boragk, die auch durch ihre privaten Aktivitäten wie den Karnevalsverein bestens im Ort vernetzt ist, wie schon bisher Unterstützung von Freunden und Familie. Und die haben noch zu tun: Da müssen Regale mit der Säge nachgebessert werden, weil sie nicht mehr unter die Decke passen, das Generalalphabet wieder in Ordnung gebracht werden, die Frei- und Sichtwahl wieder eingeräumt werden und nicht zuletzt musste der HV-Tisch raus. Er muss repariert werden und bis es so weit ist, wird er durch eine Übergangslösung ersetzt.
Stressig ist das allemal – trotzdem sei „wohl derzeit die glücklichste Apothekeninhaberin Deutschlands“, wie sie sagt. Rund zwei Wochen werde es wohl noch dauern, bis alles fertig ist. Neben Mobiliar und Ware muss auch die IT neu eingerichtet werden. Zwei Awinta-Mitarbeiter sind deshalb vor Ort und installieren die Warenwirtschaft.
Die ersten Kunden sind bereits in die Offizin gekommen – mussten aber darauf hingewiesen werden, dass die Apotheke erst Anfang September wieder offen ist und bis dahin noch aus dem Notquartier heraus abgegeben wird. Voll durchstarten kann Boragk aber auch nach dem geplanten Wiedereinzug noch nicht. Denn vorerst werden nur die Räumlichkeiten im Erdgeschoss wieder nutzbar sein. Die über dem Verkaufsraum – wo sich Boragks Büro befand, von dem der Wasserschaden ausging – bleiben vorerst unbrauchbar. Deshalb wird die Löwen-Apotheke auch weiterhin keine Notdienste schieben können. Die dafür vorgeschriebenen Aufenthaltsräumlichkeiten befinden sich nämlich im ersten Stock.
Doch immerhin haben sie dann die ständige Rennerei hinter sich. Denn mehr als die Hälfte des Generalalphabets, Labor und Rezeptur waren auch nach der Evakuierung in dem Teil des Gebäudes verblieben, der nicht einsturzgefährdet ist. Für Boragk und ihre Mitarbeiter heißt das: Sie müssen ständig die 150 Meter von der Behelfsoffizin in die eigentliche Apotheke und zurück, um Ware zu holen. „Das ist schon ein logistischer Mehraufwand. Ich weiß nicht, wie viele Kilometer wir da am Tag zurücklegen“, erzählt sie. „Aber wenigstens hatten wir keinen Schnee und keinen Regen. Damit wäre es noch viel schwerer gewesen.“ Denn der Marktplatz ist mit ebenfalls historischem Kopfsteinpflaster belegt. „Da kann man leicht umknicken, wenn man eine schwere Kiste trägt und nicht nach unten schauen kann.“
Zu der Situation war es am 10. Januar gekommen. Ein Wasserschaden über dem Gewölbe der historischen Offizin destabilisierte die gesamte Decke. Es herrschte akute Einsturzgefahr. Also mussten Boragk und ihre Mitarbeiter schnell umsatteln: Durch glücklichen Zufall konnte sie Geschäftsräume auf der gegenüberliegenden Seite des Großenhainer Markts anmieten. Aus dem Stegreif bauten sie dort eine Behelfsapotheke hinein – in der Hoffnung, dass sie nur kurz dort bleiben werden.
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