Der Beipackzettel und häufig wechselnde Präparate durch die Rabattverträge sind nach Ansicht von Medizinern die Hauptursachen für eine schlechte Compliance. Einer gemeinsamen Umfrage der medizinischen Fachzeitschrift Medical Tribune, der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) und der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten (DGVP) unter 5.000 Ärzten zufolge geraten zahlreiche Patienten durch den unkorrekten Umgang mit Arzneimitteln sogar in lebensbedrohliche Situationen. Die Studie wurde mit Unterstützung des Unternehmens Ratiopharm durchgeführt.
Neun von zehn Ärzten glauben, dass die Patienten durch die Packungsbeilage verunsichert werden, in der auch sehr seltene Nebenwirkungen aufgeführt werden müssen. Immerhin 80 Prozent sehen das wechselnde Aussehen von Präparaten durch den Austausch in der Apotheke als Compliance-Killer an.
Dennoch setzen der Umfrage zufolge 92 Prozent der befragten Allgemeinmediziner, Praktiker und Internisten bei der Mehrzahl ihrer Verordnungen kein Aut idem-Kreuz. Es gibt jedoch Ausnahmen: Am häufigsten schließen die Ärzte den Austausch bei Senioren aus - jeder fünfte Arzt kreuzt bei geriatrischen Patienten Aut idem aus. Bei allen anderen Patientengruppen liegen die Ausschlussquoten lediglich im einstelligen Bereich.
Weitere wichtige Ursachen für unbefriedigende Compliance sind „notwendige Polymedikation“ (53 Prozent) und „unerwünschte Wirkungen“ (45 Prozent). Die Ärzte durften jeweils drei Antworten geben. Lediglich 9 Prozent der Befragten sahen Schwierigkeiten bei der Einnahme als Ursache für schlechte Therapietreue an.
Compliance-Probleme sehen die Ärzte am häufigsten bei den Indikationen Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes und psychiatrische Leiden. Typisch seien die Nicht-, Falsch- oder Doppeleinnahme von Medikamenten. Besonders groß ist der Umfrage zufolge die Gefahr einer versehentlichen Überdosierung, weil Patienten Restbestände der gewohnten Tabletten und zusätzlich die anders aussehenden neuen Tabletten einnehmen.
Sechs von zehn Ärzten berichteten, dass sie bei ihren Patienten schon ernste Probleme als Folge von Einnahmefehlern erlebt hätten. So gab jeder fünfte Arzt Blutdruck- und jeder zehnte Arzt Blutzuckerentgleisungen als Komplikationen an. Auch Überdosierung blutverdünnender Mittel, Fällen von Koma, Amputationen und Todesfolge wurde dokumentiert.
„Unsere Studie hat klar gezeigt, dass Patienten durch Compliance-Probleme schwerwiegende Gesundheitsschäden davontragen können“, sagte DGVP-Präsident Wolfram-Arnim Candidus. Die Initiatoren der Untersuchung fordern deshalb verbesserte gesundheitspolitische Rahmenbedingungen sowie mehr Information durch Ärzte und Apotheker.
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