Neurologie

Wachkoma: Unsinn zeigt Heilungschancen dpa/APOTHEKE ADHOC, 02.08.2013 13:08 Uhr

Berlin - 

Wissenschaftler der Universität Bielefeld wollen die Heilungschancen von Wachkoma-Patienten abschätzen: Dabei helfen Nonsense-Sätze wie „Paul trinkt seinen Kaffee mit Zucker und Socken“. Wer auf solchen Unsinn reagiere, habe höhere Chancen, wieder aufzuwachen: 80 Prozent der Patienten, bei denen eine Veränderung der Gehirnströme beobachtet worden war, erholten sich.

Die Mediziner hatten zehn Jahre lang 87 Wachkoma-Patienten unterschiedliche Geräusche, Texte und eben auch die Sätze vom Kaffee mit Socken vorgespielt und dabei die Gehirnaktivitäten aufgezeichnet. Unlogische Satzenden sorgen für jede Menge Aufregung im menschlichen Gehirn. Das sucht nämlich automatisch nach einem Sinn – und schlägt mentale Purzelbäume, wenn es keinen findet. „Wir nennen das 'das mentale Hä'.“

15 der 87 Menschen hatten im Wachkoma auf Nonsense-Sätze reagiert. Von denen wachten 14 später auf. Von den 72 Patienten, die nicht auf die sinnlosen Sätze reagiert hatten, wachten 16 auf. Die Zahl war im Verhältnis allerdings wesentlich geringer.

Die Reaktion bedeute nicht etwa, dass die Probanden den Inhalt der Sätze verstanden hätten, so die Wissenschaftler. Aber ihr Gehirn scheine doch zu einer Art Sprachverarbeitung fähig zu sein, die bei anderen Wachkoma-Patienten nicht möglich sei. „Für diese Reaktion müssen gleich mehrere Hirnstrukturen zusammen arbeiten. Wir vermuten, dass darin auch der Schlüssel zum Wieder-Erwachen liegt: dass das Gehirn zwar im Moment etwa durch einen Verkehrsunfall oder Schlaganfall schwer geschädigt ist, dass bestimmte Bereiche aber weiterhin korrekt arbeiten.“

Die Bielefelder Studie zeigt nach Ansicht der Medzinier auch, dass selbst nach mehreren Jahren eine Chance auf die Rückkehr aus dem Wachkoma gibt. „Wir haben gesehen, dass von den Patienten, die sich erholt haben, fast die Hälfte erst nach drei bis fünf Jahren aufgewacht ist.“ Die Hirnforscher setzen deshalb auf weitere Untersuchungen. So wollen sie testen, wie Wachkoma-Patienten darauf reagieren, wenn Gefühle mit ins Spiel kommen und die Nonsens-Sätze etwa von der eigenen Mutter vorgelesen werden.