Verbraucherzentrale fordert Höchstwerte

NEM für Kinder: Unnötig und überdosiert

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Berlin -

Vitamingummibärchen für Kinder, Zaubertränke fürs Immunsystem oder Lutschpastillen zur Stärkung, alle Produkte haben laut einem Marktcheck der Verbraucherzentrale NRW häufig eine Gemeinsamkeit: Die Mehrheit der Produkte überschreitet nicht nur die Referenzwerte für den Vitamin- und Mineralstoffgehalt für Vier- bis Siebenjährige. Auch die sogenannte „Kinderoptik“ sei laut Ernährungsfachleuten nicht ungefährlich.

Die Ergebnisse des zweiten Marktchecks der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (NRW) sind erschreckend. Geprüft wurde das Angebot an Nahrungsergänzungsmitteln für Kinder im Alter von vier bis sieben Jahren. Die Untersuchungen ergaben, dass die Produkte zu rund zwei Dritteln deutlich überdosiert waren. Sie überschreiten die Vitamin- und Mineralstoff-Referenzwerte für Vier- bis Siebenjährige.

Kinderoptik ist gefährlich

Zudem bewerben laut der Verbraucherzentrale zahlreiche Hersteller mit unzulässigen Versprechen ihre Produkte. In Kombination mit der „Kinderoptik“ könne das laut den Experten leicht zur Verwechslung mit Süßigkeiten führen: „Wir brauchen dringend verbindliche Höchstmengenregelungen für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln am besten nach Altersgruppen differenziert“, so Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW. „Außerdem sollten bei der Darreichungsform von Nahrungsergänzungsmitteln keine Formen erlaubt sein, die typisch für Süßigkeiten sind.“

Bedenklich sei auch die Häufigkeit, mit der solche Mittel bei Kindern und auch Erwachsenen eingesetzt werden. Laut der Verbrauchertentrale greife in Deutschland „fast die Hälfte der Erwachsenen zu Nahrungsergänzungsmitteln“, ohne dass in der Bevölkerung eine allgemeine Unterversorgung mit Nährstoffen vorliegt. Auch Kinder seien „in aller Regel ausreichend mit den meisten Vitaminen und Mineralstoffen versorgt“, so die Experten.

Health Claims unzulässig

Studien belegen aber, dass etwa 10 Prozent der Zwei- bis 18-Jährigen hierzulande täglich Nahrungsergänzungsmittel von ihren Eltern und/oder Lebensmittel, die mit Vitaminen oder Mineralstoffen angereichert sind, bekommen. „Dabei brauchen Kinder in der Regel überhaupt keine Nahrungsergänzung“, so Schuldzinski. „Unser aktualisierter Marktcheck belegt, dass weiterhin viele Produkte mit unzulässigen Gesundheitsversprechen (sogenannten Health Claims) werben. Viele Produkte sind zu hoch dosiert oder enthalten Nährstoffe, die nicht nötig sind oder nicht empfohlen werden.“

So liegen laut dem Marktcheck „insgesamt 23 der 33 untersuchten Produkte deutlich über den Tagesempfehlungen für Vitamine und Mineralstoffe der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für Vier- bis Siebenjährige“. Erschreckend: „Von den geprüften Produkten überschreiten 13 Artikel die vom Bundesinstitut für Risikobewertung vorgeschlagenen sicheren Höchstmengen für Nahrungsergänzungsmittel, die für Personen ab 15 Jahren vorgesehen sind“, so die Verbraucherzentrale.

Auch in der Beurteilung der Produkt-Aufmachung erlangen 20 von 33 Produkten im Marktcheck negative Ergebnisse: bunte Verpackungen locken mit Tieren oder Comic-Figuren und versprechen mehr Lebensfreude, Intelligenz oder Lernleistungen. 22 Produkte, die als Kaubonbons, Toffee oder Gummibonbons in Bärchenform sowie mit süßen Geschmacksrichtungen angeboten werden erinnern zu sehr an echte Süßigkeiten. Das verführe zum Naschen und erhöhe das Risiko einer Überdosierung, so die Verbraucherzentrale.

Willkürlich und konzeptlos

Die Zusammensetzung erscheine laut Schuldzinski zudem beliebig und konzeptlos: „Die überprüften Produkte enthalten scheinbar willkürliche Variationen an Mikronährstoffen, darunter die Vitamine C, D und E sowie B1, B2, B6 und B12, aber auch Folsäure, Biotin, A/Beta-Carotin und Calcium.“ Auch Selen, Zink, Magnesium, Eisen, Mangan, Jod und Chrom fanden die Ernährungsfachleute.

Das Problem: Nahrungsergänzungsmittel unterliegen keinerlei Zulassungsverfahren. Deshalb fordert die Verbraucherzentrale NRW schon lange verbindliche Höchstmengen für Nährstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln. „Der Gesetzgeber sollte hier dringend tätig werden und die bestehenden Regelungslücken bei Kindernahrungsergänzungsmitteln schließen“, so Schuldzinski. „Zudem sollte die Lebensmittelüberwachung solche Produkte und deren Werbung stärker kontrollieren.“ Eltern, die sich um die Gesundheit ihrer Kinder sorgen, seien laut den Ernährungsfachleuten am besten in der Kinderarztpraxis aufgehoben.

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