Apothekentest

NDR: „Werbemaschinerie“ statt Beratung APOTHEKE ADHOC, 02.02.2015 09:18 Uhr

Berlin - 

Wer mit Halsschmerzen in die Apotheke geht, wird häufig schlecht beraten. So lautet das Fazit eines neuerlichen Apothekentests des NDR-Magazins „Markt“. Neun der zehn getesteten Apotheken hätten immer nur Medikamente eines Herstellers empfohlen – ohne den Kunden nach möglichen Unverträglichkeiten zu befragen. Professor Dr. Gerd Glaeske kritisiert das Ergebnis, spricht von einer „Werbemaschinerie“ in Apotheken. Der Beitrag wird am Montag um 20.15 Uhr im NDR Fernsehen ausgestrahlt.

In zehn Apotheken stellten sich die Reporter mit Halsschmerzen vor. Überall erhielten sie Lutschtabletten, dabei verkaufte eine Apotheke Medikamente gegen Halsschmerzen für knapp 32 Euro. Besonders auffällig: In neun dieser zehn Apotheken wurden Produkte von Dobendan (Reckitt Benckiser, RB) empfohlen.

Allein sechsmal wurde Dolo-Dobendan verkauft. Glaeske findet den Wirkstoff Benzocain problematisch: „Das soll den Halsschmerz betäuben, aber es ist ein Mittel, was möglicherweise Allergien auslösen kann. Deshalb ist es sehr wichtig, dass in der Apotheke darauf hingewiesen und entsprechend informiert wird. Insofern würde ich immer fragen, wenn ich so ein Mittel verkaufen würde, ob jemand rasch allergisch reagiert. Und das scheint mir an keiner Stelle passiert zu sein.“

RB erklärte gegenüber „Markt“: „Wie bei allen Arzneimitteln können Unverträglichkeiten gegen Wirkstoffe oder sonstige Bestandteile auftreten. Es liegen derzeit jedoch keine Anhaltspunkte vor, dass bei der Anwendung von Dolo-Dobendan ein erhöhtes Allergiepotenzial auftritt.“

Generell findet Glaeske das Empfehlungsverhalten der Apotheken kritisch: „Das zeigt, dass das Marketing von Herstellern wirkt, jenseits der Fragestellung, ob es sich um sinnvolle Arzneimittel handelt. Auch Apotheker werden von Werbung beeinflusst. Ich finde, dass man sich davon frei machen muss. Was will der Hersteller? Der will natürlich viele Produkte absetzen. Was will der Großhandel? Der will natürlich auch viel verkaufen. Aber wenn ich in die Apotheke gehe, dann möchte ich eine vernünftige Beratung haben und nicht quasi der passive Verkäufer einer Werbemaschinerie sein, die der Hersteller angeworfen hat.“

Die ABDA äußerte sich schriftlich gegenüber „Markt“: „Welchen Einfluss das Marketing auf Patientennachfragen und damit in der Folge auf die Vorratshaltung von Apotheken hat, können wir nicht beurteilen.“

Apothekentests gehören zum alljährlichen Standard des TV-Magazins. Glaeske ist seit Jahren Dauergast, Konzept und Resultat sind stets ähnlich. Zuletzt hatten Reporter im Herbst in 20 Apotheken Erkältungspräparate gekauft, sich davor im Mai zum Thema Hausapotheke beraten lassen. 2013 war von einer „dreisten Abzocke in Apotheken” die Rede, 2012 von „lebensbedrohlichen“ Beratungslücken und Apotheken als „Verkaufsbuden“.