Nach 30 Jahren ist Schluss: Für Apotheker Jürgen Baumgärtel ist es Zeit, in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen. Wirklich schade findet er allerdings, dass er niemanden gefunden hat, der seine Apotheke übernehmen will. Somit gehört die Sophien-Apotheke im bayerischen Ahorntal zu den Apotheken, die zum Jahreswechsel für immer schließen werden.
Das Gebiet zwischen Bamberg und Bayreuth ist ländlich geprägt mit vielen kleinen Ortschaften. In Ahorntal leben immerhin etwa 2260 Menschen, im Ortsteil Kirchahorn, in dem Baumgärtel seine Apotheke betreibt, sind es 250. Trotzdem hat sich die Apotheke immer gut halten können; dass sich kein Nachfolger finden konnte, passt für den Inhaber in die aktuelle Zeit. „Sie brauchen doch nur in die Inserate zu schauen – da werden Ihnen jede Woche 50 Apotheken nachgeschmissen.“
Ihm tue es vor allem leid ums Team. Die Kund:innen werden sich umgewöhnen müssen, haben aber im Umkreis von zehn Autominuten drei weitere Apotheken. Sein Botendienst legte trotzdem jeden Tag 130 bis 180 Kilometer zurück. Noch ist die Versorgung gesichert, aber Baumgärtel fragt sich, wie es in ein paar Jahren aussieht: „Das ist ein Drama. In Bayreuth schließen nächstes Jahr vier Apotheken.“ Er sieht schwarz für den Berufsstand.
Interessenten für die Sophien-Apotheke habe es zwar in den zwei Jahren der Nachfolgersuche gegeben. Nach ersten und oft positiven Gesprächen sei aber nie eine Rückmeldung gekommen. Auch eine Begründung, warum doch kein Interesse mehr besteht, habe Baumgärtel nicht erhalten. Er weiß aber auch um die veränderte Lage der Apotheker:innen: „Den Aufwand, den wir hier betreiben – das steht in keinem Verhältnis zum Ertrag.“ Es kommen kaum noch Pharmazeut:innen nach, die das auf sich nehmen: „Wer soll das denn machen?“ Auch die Lage der Apotheke hat die Nachfolgersuche erschwert: „Es will keiner aufs Land“, so Baumgärtel.
Dass es so wenig ernsthaftes Interesse gibt, eine öffentliche Apotheke zu betreiben, schreibt er der aktuellen Gesundheitspolitik und den vielen Herausforderungen zu, vor denen das pharmazeutische Personal Tag für Tag steht. In den Unis werde den Pharmaziestudierenden aber auch wenig Motivation mit auf den Weg gegeben, Baumgärtel kennt Geschichten aus dem Bekanntenkreis: Studenten, die in die Apotheke gehen wollen, werde durch die Lehrenden häufig davon abgeraten. „Das ist absolut frustrierend. Da rast ein ICE direkt auf die Betonmauer zu.“
Für das Team ist die Schließung der Sophien-Apotheke ebenfalls schwer. Zwar werden Baumgärtels Angestellte ohne Probleme bei den Kolleg:innen unterkommen: „PTA werden ja händeringend gesucht, die werden mit Handkuss genommen.“ Trotzdem wären sie aber gern als Team zusammen geblieben, so der Apotheker. Die sieben Mitarbeiterinnen sind teilweise wie der Inhaber selbst seit 30 Jahren dabei.
Auch die Gemeinde trauert um ihre Apotheke, wie ein Bericht des Bayrischen Rundfunks zeigt, der bei Baumgärtel kürzlich gedreht wurde. Viele Stammkunden bedauern, bald weitere Wege zur Apotheke zu haben. Auch der Bürgermeister hätte sich laut Baumgärtel etwas anderes gewünscht. Die Gemeinde wolle wachsen, mit Bauland sollen junge Familien angezogen werden. „Eine Grundschule, Kindergarten und natürlich auch eine Apotheke gehören da eigentlich ins Konzept.“ Auch die Lage der Apotheke hat die Nachfolgersuche erschwert: „Es will keiner aufs Land“, so Baumgärtel.
In seinen 30 Jahren als Inhaber habe Baumgärtel zwar gute und schlechte Zeiten gehabt, am Ende blieb aber immer ein gutes Auskommen übrig. Nun stimmen die Rahmenbedingungen einfach nicht mehr. „Jeden sechsten Tag haben wir Notdienst. Auf dem Dorf muss man zu jeder Tages und Nachtzeit da sein. Ich hab noch nie jemanden weggeschickt“. All das gehört für den Apotheker alter Schule einfach irgendwie dazu. Baumgärtel ist besorgt über die Aussicht, Patient:innen beispielsweise nur noch dank Krediten mit hochpreisigen Medikamenten versorgen zu können: „Da stimmt einfach das System nicht mehr.“
APOTHEKE ADHOC Debatte