„Schlaflose Nächte“

Nach Tod von Patienten: Heilpraktiker erklärte Einwaage

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Krefeld -

Hat er beim Anmischen eines Krebsmedikaments tödliche Fehler gemacht? Darum dreht sich ein Prozess gegen einen Heilpraktiker. Der gibt am ersten Verhandlungstag detaillierte Einblicke in sein Geschäft mit Pulvern, Fläschchen und Infusionen. Die Vorwürfe sind dramatisch: Mit einer ungeeigneten Waage soll er Medikamente für Krebspatienten angemischt haben. An den Folgen einer Überdosis starben drei von ihnen.

Am Landgericht in Krefeld behauptete der 61-Jährige aus Nordrhein-Westfalen am Freitag: „Ich habe ein gutes Gefühl, dass ich richtig und sauber gearbeitet habe.“ Er ist wegen fahrlässiger Tötung in drei Fällen und fahrlässigen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz in vier Fällen angeklagt. Er bedauere den Vorfall, sagte der Mann aus dem niederrheinischen Moers. „Ich habe seitdem schlaflose Nächte.“ Wie es zu den drei Todesfällen Ende Juli 2016 kommen konnte, kann sich der Angeklagte – angeblich – nicht erklären.

Das Medikament soll in den verschiedenen Fällen um das Drei- bis Sechsfache zu hoch dosiert gewesen sein. Am ersten Tag der Verhandlung machte er eine ausführliche Aussage. Eifrig und detailreich erklärte er seine berufliche Laufbahn. Er beschrieb Behandlungsmethoden, die er gelernt habe, wie er Patienten mögliche Therapien erklärt habe. Der Mann wirkte angespannt, sagte, er habe selbst ein großes Interesse daran, eine Erklärung zu finden. 2010 habe er seine Heilpraktikerprüfung abgelegt, ab September 2014 in einer Praxis in der Gemeinde Brüggen gearbeitet. Dort seien fast ausschließlich Krebspatienten behandelt worden – oft „hoffnungslose Fälle“, wie der 61-Jährige sagte.

Zum Jahreswechsel 2015/16 sei er dann zum ersten Mal mit dem experimentellen Wirkstoff 3-Bromopyruvat (3-BP) in Berührung gekommen. Hoffnung auf Heilung habe er seinen Patienten nie gemacht. „Dazu hatte ich ja auch zu wenig Erfahrung“, sagte der 61-Jährige. Und doch habe er den Eindruck gehabt, dass der Wirkstoff einigen Patienten helfe. Über einen Patienten berichtete er: „Der konnte am Anfang nicht allein laufen, nach der zweiten Behandlungswoche ist er wieder mit den Hunden spazieren gegangen.“ Der Mann war später durch die Verabreichung einer Infusionslösung mit dem Wirkstoff 3-BP gestorben.

Der Angeklagte erklärte, er habe jede Infusion immer direkt vor der Gabe vorbereitet. Mit einem kleinen Dosierlöffel habe er das Pulver aus einer großen Flasche geholt und abgewogen. Wochen und Monate sei er genau gleich vorgegangen. Als die drei Patienten Ende Juli 2016 nach der Behandlung am selben Tag Beschwerden hatten, sei es das erste Mal gewesen, dass etwas nicht nach Plan gelaufen sei. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters, ob er sich auch mal nur auf sein Augenmaß verlassen habe, die Waage nicht genutzt habe, antwortete der 61-Jährige: „Ich habe die Waage benutzt, ausnahmslos.“

Auch an die empfohlene Dosierung von zwei bis vier Milligramm habe er sich gehalten. In der Anklage ist von sieben bis zwölf Milligramm die Rede, die in den vorliegenden Fällen verabreicht worden sein sollen. Die neue Waage habe er im April 2016 gekauft. Sie sei hygienischer zu verwenden gewesen als die alte. Laut Staatsanwaltschaft war sie aber nicht geeicht. Der Hersteller gebe in der Bedienungsanleitung an, dass das Abwiegen von Kleinstmengen damit nicht möglich sei. Ein Aspekt, der bei der Verhandlung lange diskutiert wird: Erst am Tag vor der Behandlung der drei später gestorbenen Patienten habe er neue Flaschen mit 3-BP geliefert bekommen: Pulver in vier Flaschen – nicht wie bis dahin aus Glas, sondern Plastik. Könnte der Wirkstoff chemisch verdorben worden sein? Kann schon das Pulver allein schädlich gewesen sein?

In einem E-Mail-Verkehr mit seinem Lieferanten äußerte der Mann schon am betreffenden Juli-Tag diese Bedenken. Die Flaschen habe er aber noch an diesem Abend entsorgt. „Ich wollte sie nicht weiter für Patienten verwenden, nachdem es diesen drei so schlecht ging“, sagte er, „dass ich sie weggeworfen habe, bereue ich heute zutiefst“.

Für das Verfahren wurden zehn Verhandlungstage angesetzt. Beim nächsten Termin am 5. April soll der Angeklagte im Gerichtssaal vormachen, wie er sonst immer das Medikament angemischt hat. Für spätere Termine sind auch Zeugen wie die Angehörigen der Opfer geladen. Eine vierte Patientin, bei der die Behandlung rechtzeitig abgebrochen wurde, sei in einer schlechten gesundheitlichen Verfassung und könne nicht teilnehmen, erklärte der Richter.

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