Hohe Belastung in der Pandemie

Nach Corona: Kindern geht es wieder besser

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Berlin -

Corona, der Ukraine-Krieg, Energiekrise, Klimakrise: Kinder und Jugendliche müssen heutzutage viel aushalten. Das hat Auswirkungen auf ihr gesundheitliches Wohlbefinden. Gerade die Corona-Pandemie hatte viele Kinder und Jugendliche psychisch belastet, doch nun geht es langsam wieder aufwärts.

Die Vor-Corona-Werte werden jedoch bisher nicht erreicht. Das ist das Ergebnis der neuesten Befragungen der sogenannten Copsy-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), die am Mittwoch präsentiert wurde. „Die Kernaussage der Studie ist, es geht den Kindern und Jugendlichen nach wie vor psychisch schlechter als vor der Corona-Pandemie“, sagte die Leiterin der UKE-Forschungsgruppe, Ulrike Ravens-Sieberer, der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg.

Jedes fünfte Kind hat Angst und ein schlechteres Wohlbefinden

So gab im Herbst 2024 etwa jedes fünfte befragte Kind (21 Prozent) an, dass sein Wohlbefinden eher schlecht ist, es Angstsymptome und psychische Auffälligkeiten hat. Das sind noch immer deutlich mehr als vor der Corona-Pandemie. Damals hatten rund 15 Prozent der Mädchen und Jungen von einer geminderten gesundheitsbezogenen Lebensqualität gesprochen.

Ein Grund dafür laut Studie: Nachdem die Corona-Pandemie weitgehend überstanden ist, belasten jetzt andere Krisen die Kinder und Jugendlichen. 72 Prozent machen sich große Sorgen in Bezug auf Kriege. Auch die Angst vor Terrorismus (70 Prozent), Wirtschaftskrisen (62 Prozent) und Klimakrise (57 Prozent) beschäftigt den Nachwuchs. „Das verunsichert die Kinder zunehmend und macht ihnen auch Sorgen. Sie haben Zukunftsängste“, sagte Ravens-Sieberer weiter. Bei Kindern mit Sorgen sei das Risiko für psychische Auffälligkeit dreifach erhöht.

Medienkonsum gleichbleibend hoch – mehr Einsamkeit

Nicht hilfreich sei zudem, dass Kinder und Jugendliche derzeit soziale Medien sehr stark nutzen – teilweise sogar noch stärker als während der Corona-Zeit. „40 Prozent der Kinder nutzen das mehr als vier Stunden.“

So bekämen sie einerseits Nachrichten aus der Welt relativ ungefiltert, andererseits erführen sie eher Ausgrenzung und Mobbing. Viele Kinder fühlten sich deshalb zunehmend alleine. „Die berichtete Einsamkeit hat zugenommen – also sich alleine zu fühlen mit seinen Sorgen oder auch mit sich selbst. Das ist extrem gestiegen von 14 auf 21 Prozent.“

Als besondere Risikogruppe gelten Kinder aus Familien mit niedrigem sozialem Status. Geringe Bildung der Eltern, Migrationshintergrund, wenig Geld, beengte Wohnverhältnisse – hier gebe es ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko für psychische Krankheiten, sagte Ravens-Sieberer weiter.

Liebe und Struktur machen Kinder stärker

Im Umkehrschluss zeigte sich bei den Befragungen auch: „Wenn die Kinder aber etwas haben, das sie schützt, dann verringert das dieses Risiko um das Fünf- bis Zehnfache. Das ist natürlich schon enorm.“ Kinder, die sich daheim geliebt fühlten, Zeit mit ihren Eltern verbrächten und einen Tagesablauf mit Struktur erlebten, seien besser vor Sorgen und Ängsten geschützt.

Niedrigschwellige Hilfe in den Schulen nötig

Weil jedoch nicht alle Kinder diesen Luxus daheim hätten, brauche es Unterstützung in den Schulen, sagte Ravens-Sieberer. „Wir würden immer dafür plädieren, einen niedrigschwelligen und auch flächendeckenden Präventions- und Gesundheitsförderungsansatz zu haben. Und da ist natürlich, wenn ich das so sagen darf, die Schule der ideale Ort.“ Denn hier könnten alle Kinder, aus jeder sozialen Schicht, über eine lange Zeit erreicht werden.

In Skandinavien gebe es beispielsweise einen Schulpsychologen auf 500 Schüler. Das sollte ein Vorbild für Deutschland sein. Zwar gebe es unter anderem bereits ein deutschlandweites Projekt mit rund 100 Mental-Coaches. Ziel sollte aber eine Ansprechperson an jeder Schule sein.

Eltern sollten beim Medienkonsum Vorbilder sein

Weitere Ansätze für eine bessere psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen sind Ravens-Sieberer zufolge weniger Handy- und Medienzeit sowie Regeln und das Erlernen von mehr Kompetenz im Umgang damit. Da seien auch die Eltern als Vorbilder in der Pflicht: „Wenn die Eltern am Esstisch das Handy nicht weglegen können, kann ich nicht erwarten, dass die Kinder das machen.“

Für die sechste und siebte Welle der repräsentativen Längsschnittstudie wurden 2023 und 2024 deutschlandweit jeweils rund 1.500 Familien aus allen Schichten der Gesellschaft online befragt, einige von ihnen bereits zum wiederholten Male seit Beginn der Corona-Pandemie.

Die Copsy-Studie sei in Deutschland einzigartig und wichtig – auch für Gesellschaft und Politik, sagte Marcel Romanos, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Würzburg.

Weil jedoch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihr Befinden oder das ihrer Kinder selbst einschätzten, seien solche Befragungen nicht ausreichend – auch wenn sie wichtige Hinweise lieferten, sagte Julian Schmitz, Leiter der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz für Kinder und Jugendliche an der Universität Leipzig, der Wochenzeitung „Die Zeit“. „Man muss bei einer repräsentativen Gruppe von Kindern und Jugendlichen eine richtige klinische Diagnostik machen.“

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