Nach Apothekenübernahme

„Die Work-Life-Balance hat sich rigoros geändert“

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Berlin -

Eigentlich war Michael Herrmann als angestellter Apotheker zufrieden in Halle an der Saale – wenn da nicht immer dieser Traum von der Selbstständigkeit gewesen wäre. In Boltenhagen hat er ihn jetzt verwirklicht: Er ist Besitzer der Sonnen-Apotheke und arbeitet dort, wo andere Urlaub machen.

Der 35-Jährige sagt: „Ich wusste immer, dass mir die Arbeit als Angestellter irgendwann zu wenig sein wird.“ Er vertraute darauf, dass seine Zeit und die Gelegenheit kommen würden. Herrmann streckte seine Fühler aus und wartete. Und plötzlich war sie da, auf Vermittlung einer Hannoveraner Steuerberatungskanzlei da: die Traumapotheke.

Herrmann fuhr von Halle nach Boltenhagen, traf den verkaufswilligen Kollegen, besichtigte Apotheke und Ostseebad und wurde Mieter der Sonnen-Apotheke. Klingt einfach, war aber dennoch eine aufregende Entscheidung. „Es gab eine ungefähr zwei Wochen lange Phase, in der ich mich gefragt habe, ob ich das Richtige mache. Man muss sich im Klaren darüber sein, was auf einen zukommt. Aber eine eigene Apotheke war immer mein Traum.“

Aufgewachsen ist er im thüringischen Zeulenroda, studiert hat Herrmann in Halle an der Saale. „Ich bin am Studienort hängen geblieben.“ Seine Arbeit in der Moritz-Apotheke fand er interessant, er blieb, bis seine Chefin einen Nachfolger gefunden hatte. Sie hatte Verständnis für den Freiheitsdrang ihres Mitarbeiters.

Neben der Aufnahme eines Kredits standen auch Wohnungssuche und Umzug auf der To-do-Liste. Seine Lebensgefährtin Susann Pietsch ist ebenfalls Apothekerin, sie zog mit an die Ostsee, wird aber in einer anderen Apotheke arbeiten. Die Phase des Zweifelns empfindet er im Nachhinein als positiv: „Man muss risikobereit sein, darf sich nicht von allen Zweiflern beeinflussen lassen“, sagt er.

Wichtig sei, sich im Klaren darüber zu sein, dass die Work-Life-Balance sich im Vergleich zum Angestelltendasein rigoros ändert: „Man hat als Unternehmer tatsächlich kaum noch Freizeit, sondern arbeitet vom ersten Tag an bis spät abends.“

Herrmann gehört zu den seltenen Menschen, die Büro- und Verwaltungsarbeit lieben: „Ich mag Buchhaltung“, sagt er. Das Team – sieben feste und zwei freie Mitarbeiter – hat er von seinem Vorgänger übernommen: „Sie haben uns gut aufgenommen, die Zusammenarbeit klappt wunderbar.“ In Wismar hat er mit seiner Lebensgefährtin eine schöne Wohnung gefunden.

Arbeiten, wo im Sommer Tausende Urlauber in der Sonne liegen – das klingt verführerisch. Die Realität sieht anders aus: „Mein Vorgänger hat erzählt, dass er so gut wie nie am Strand war. Er schaute immer nur kurz, ob das Wasser noch da war“, sagt Herrmann lächelnd. „Ich nehme mir trotzdem vor, dass wir versuchen werden, den Strand und das Meer zu genießen.“

Derzeit hat er allerdings keine Zeit für Strandspaziergänge, er schafft es kaum, seine Kunden kennenzulernen: „In den ersten Wochen gibt es sehr viel Büroarbeit zu erledigen.“ Nach der Übergabe machte sein Vorgänger mit ihm und seiner Lebensgefährtin eine Runde durch den Ort und stellte ihm einige Boltenhagener vor: „Wir haben noch nicht alle geschafft.“

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