Übergabe

Münster, Allgäu – und retour

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Berlin -

Sie ist in Münster aufgewachsen, hat hier studiert und hätte niemals für möglich gehalten, dass die schöne, stolze Adler-Apotheke eines Tages ihr gehören würde. Doch manchmal werden Träume wahr. Die Geschichte einer Übergabe.

„Nach dem Studium hatte ich den Drang wegzugehen“, erzählt Apothekerin Irene Schur. „Ich habe viele Jahre selbständig im Allgäu eine Landapotheke betrieben.“ Herrliche Landschaft, viele Stammkunden, sie war zufrieden. „Ich habe dort gelebt, wo andere Menschen Urlaub machen.“ Bis die Kinder aus dem Haus waren: „Da wollte ich zurück zu den Wurzeln. Und ich habe das Stadt-Gefühl vermisst.“

Das Glück kommt zu den Tüchtigen. Vielleicht ist das eine Erklärung dafür, dass alles wie am Schnürchen klappte: Zuerst war da die Idee, etwas anderes zu machen. Die eigene Apotheke zu verkaufen und anderswo die Zelte aufschlagen. „Ich habe parallel einen Käufer für meine Apotheke gefunden – und gehört, dass die Adler-Apotheke verkauft werden soll.“

Die schöne, stolze Apotheke, an der sie schon so oft vorübergegangen war. Da konnte sie einfach nur Ja sagen. Mit 432 Jahren ist die Adler-Apotheke die zweitälteste in Münster. Wie Apotheke geht, wusste die 54-Jährige. „Wir haben als Landapotheke immer versucht, den Kunden besonderen Service zu bieten, damit sie nicht in die Stadt fahren müssen.“ Das Konzept ging auf: „Wir hatten 98 Prozent Stammkunden.“

Auch Rainer Schulze-Schleppinghoff kennt das Geschäft gut. Schon sein Vater betrieb die Adler-Apotheke in der Salzstraße, das Unternehmen war seit 1946 in Familienhand. Er übernahm im Jahr 1973 und befand nun: „Es reicht!“ Er fügt hinzu: „Es ist ein befreiendes Gefühl, wenn man raus aus dem Geschäft ist. Ich vermisse zwar den Kontakt zu den Kunden und Mitarbeitern, aber nun muss ich keine Nachtdienste mehr machen.“ Seine Zukunft ist klar definiert: „Die Welt steht mir offen“, sagt er lächelnd. „Ich plane erst mal gar nichts. Mal gucken, vielleicht zieht es mich in den Süden, dorthin, wo der Winter nicht so kalt ist wie hier.“

In der Übergangsphase hat er seine Nachfolgerin eingearbeitet und beraten: „Die Adler-Apotheke hat eine gute und teure Lage, das muss man erst mal erwirtschaften. Es ist nicht so einfach, sich in der Innenstadt zu behaupten.“ Optimistisch setzt die Nachfolgerin dem entgegen: „Es geht immer weiter. Entweder jammere ich oder packe es an. Mir macht mein Beruf Freude. Viele Apotheken haben in der Vergangenheit zugemacht, weil es sich nicht mehr rentiert hat. Man muss viel Arbeitskraft investieren.“ Und ein Team haben, auf das man sich verlassen kann. Schur hat die Mannschaft der Adler-Apotheke mit 20 Mitarbeitern komplett übernommen.

Auch der 74-jährige Apotheker, der in Münster eine Institution ist, würde seinen Beruf jederzeit wieder erlernen und jungen Menschen nicht davon abraten: „Wenn man die Neigung zum Apotheker hat, dann klappt das auch. Es ist eine schöne Sache, viel Kontakt zu den Menschen zu haben. Ein Schreibtischjob wäre nichts für mich gewesen.“

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