Bleibt das Jahr so sonnig und warm, kommen genügend Niederschläge dazu, dann gibt es für Mücken eine gute Saison. Diese Einschätzung trifft die Biologin Dr. Doreen Walther, Mückenexpertin im Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) im brandenburgischen Müncheberg. „Es wird spannend. Stimmen die Bedingungen, könnte es 2017 viele Generationen von Mücken geben – zum Leidwesen der Menschen“, sagt die 48-jährige Wissenschaftlerin, die sich als Expertin inzwischen europaweit einen Namen gemacht hat.
Insgesamt sind in Deutschland ihren Angaben nach 28 Mückenfamilien heimisch, 3 davon sind für Menschen echte Plagegeister: Stech- und Kriebelmücken sowie Gnitzen. „Blut saugen allerdings nur die Weibchen, weil sie das Protein für die Bildung ihrer Eier brauchen.“ Bei den Stechmücken sind laut Walther derzeit Exemplare unterwegs, die in Kellern überwintert haben. Es gibt vor allem in den südlichen Bundesländern wie Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz aber auch schon seit März junge, gerade geschlüpfte Mücken, die die kalte Jahreszeit als Ei in Brutstätten wie Regentonnen oder Pfützen überstanden haben und die normalerweise erst Mitte April aus schwärmen.
Demnächst könnten nach Untersuchungen der Müncheberger Wissenschaftlerin auch die an Flussläufen beheimateten Kriebelmücken etwas früher als sonst aktiv werden. „Larven sind beispielsweise in der Oder genügend vorhanden, so dass es zu einem massenhaften Auftreten kommen könnte, so lange es nicht plötzlich kühl und regnerisch wird“, sagt sie.
Berüchtigt sind die eher Fliegen ähnelnden Kriebelmücken vor allem, weil sie bei Menschen unter die Kleidung kriechen und große, stark juckende Wunden hinterlassen, die schlecht heilen. Die Biologin hat in Mückenfallen auch schon Gnitzen entdeckt, die eigentlich erst ab Mai vor allem Kleingärtnern das Leben schwer machen. „Die nur zwei Millimeter kleinen Plagegeister sind vor allem in der Dämmerung unterwegs und stechen am liebsten am Haaransatz des Menschen zu.“
Bei so viel frühzeitigem Mückenbetrieb verwundert es nicht, dass Walther und ihre Mitarbeiter bereits knapp 300 neue Einsendungen für den Mückenatlas haben. Immer mehr Bürger werden zu Mückenjägern und schicken ihre gefangenen Exemplare nach Müncheberg, wo die Expertin und ihr Team die Arten bestimmen und kartieren.
Zu den eifrigen Einsendern gehört seit drei Jahren Andreas Kunkel aus Berlin, der auch kürzlich wieder ein Exemplar an Walther schickte. „Ist doch praktisch: Wir wollen die Plagegeister los werden und tun damit gleichzeitig etwas für die Wissenschaft“, erklärt der Familienvater. Andere würden Briefmarken sammeln, er eben Mücken, sagt der Berliner, der stolz darauf ist, bereits Exemplare von zehn verschiedenen Arten gefangen zu haben.
Eine ganz andere Motivation hatte Werner Tauberschmidt aus Baden-Württemberg. „Wir konnten in unserem Ort Rosengarten-Rieden seit mehreren Jahren nicht mehr im Freien sitzen, so wurden wir von Mücken gepiesackt. Die stachen selbst durch Jeans durch“, erinnert er sich. Als Tauberschmidt 2012 vom Aufbau des Mückenatlas hörte, schickte er sofort ein paar mit dem Kescher gefangene Plagegeister aus seinem Garten nach Müncheberg. „Frau Dr. Walther besuchte uns und stellte schnell fest, dass diese Stechmückenart in einer stillgelegten Güllegrube in der Nachbarschaft ihre Brutstätte hatte.“ Inzwischen seien dort sämtliche Eingänge abgedichtet worden, Tauberschmidt ist für die Hilfe dankbar und revanchiert sich seitdem mit häufigen Mückeneinsendungen.
Unter www.mueckenatlas.de soll das seit 2012 im Aufbau befindliche Portal wertvolle Hinweise auf die Verbreitung der heimischen Stechmückenarten und über eventuell in Deutschland „zuwandernde“ exotische Arten liefern. Das Zalf arbeitet mit dem Friedrich-Loeffler-Institut (Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit) zusammen, dessen Experten untersuchen, welche Krankheitserreger Mücken übertragen können.
„Unter den neuen Einsendungen war auch ein schlupffrisches Exemplar der Asiatischen Buschmücke“, berichtet Walther. Dieser invasive Exot ist schon vor Jahren nach Süddeutschland eingewandert und breitet sich weiter in Richtung Norden aus, hat sie auch aufgrund der Einsendungen von Mückenjägern festgestellt.
Der zweite, weitaus gefährlichere Exot ist die Asiatische Tigermücke, 25 Exemplare wurden im vergangenen Jahr eingeschickt. In diesem Jahr wurde diese wärmeliebende Art allerdings noch nicht gefangen, sagt die Biologin. „Es bleibt abzuwarten ob die in Baden-Württemberg und Thüringen entdeckten Populationen den teilweise doch sehr kalten Winter überstanden haben.“
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