Für immer als „Mohren-Apotheke“ unter Denkmalschutz

Mohren-Apotheke: Köpfe weg, Name bleibt Laura Schulz, 21.07.2024 07:23 Uhr

Die Mohren-Apotheke in Bayreuth hat sich äußerlich verändert. Aufgefallen ist es wenigen, die Hintergründe sind dafür umso wichtiger. Foto: aquatarkus - stock.adobe.com
Berlin - 

Die Nachricht sorgte in Bayreuth für Aufregung und für neuerlichen Streit um die Bezeichnung „Mohr“: Die Mohren-Apotheke in der Innenstadt entfernte die umstrittenen, stilisierten Kopf-Abbilder von den Fenstern. Was aber bleibt ist der Name – aus guten Gründen, wie Inhaber Dr. Andreas Paul erklärt. Er hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt und weiß, warum die „Mohren-Apotheke“ die „Mohren-Apotheke“ bleiben wird.

Pauls Apotheke gehört zu einem Verbund aus sechs Apotheken in Bayreuth, die er zusammen mit Dr. Jens und Dr. Simone Landwehr betreibt. Nach rund 70 Jahren verschwanden nun die farbigen Plastiken, die in die Fenster der Apotheke eingelassen waren. Damit reagierte der Inhaber auf Anfeindungen, nachdem er sich selbst kritisch mit der Begrifflichkeit auseinandersetzte. Bayreuth habe unweigerliche „eine braune Vergangenheit“, so Paul, heute werde die Geschichte aber gründlich aufgearbeitet, an der Universität würden Afrika-Studien unterrichtet, in der Stadt gibt es eine starke People-of-Colour-Community.

Auch Paul hat eine weltoffene Einstellung; Anfeindungen, er sei Rassist gebe es aufgrund des Apothekennamens aber leider trotzdem immer wieder. Dabei steht die Mohren-Apotheke damit nicht allein da: „Der ‚Mohr‘ ist relativ viel vertreten hier, viele Namen in der Stadt verweisen darauf“, so der Inhaber. „Wir haben die Apotheke seit 2009, die Diskussion gab es schon vorher, damals lief das aber unter dem Radar.“ Seit der Corona-Pandemie habe sich das Thema aber wieder verschärft.

Einordnung ist wichtig

In der Diskussion geht es zum einen um den Namen der Apotheke sowie die stilisierten Köpfe an den Fenstern. „Da kommen zwei Sachen zusammen“, so Paul, der sich für eine differenzierte und wissenschaftliche Auseinandersetzung einsetzt. „Das ist eine Frage um die Deutungshoheit. Wie ist die Darstellung einzuordnen?“ Dazu habe er sich bereits vielfältig mit historischen Untersuchungen auseinandergesetzt. Demnach greife beim Namen kein Argument, dass die Benennung in die Kolonialzeit schiebt, während der sich die Europäer fremde Länder untertan machten.

„Von der Benennung her gehört das in die Präkolonialzeit“, weiß der Inhaber. „Das hat nichts mit Kolonialisierung zu tun. Die Apotheke ist von 1609. In dieser Zeit nutzte man Örtlichkeiten für solche Namen, wie zum Beispiel bei der Burg-Apotheke und so weiter.“ Aber auch Heilige und Berühmtheiten wurden für Benennungen genutzt. „Damals wurde der Name als exotisch aufgefasst – bezugnehmend auf die Mauren, die heilkundiger waren als die damaligen ‚Experten’ hierzulande.“

Name als Ehrung

Damals sei der Name offensichtlich aus gutem Grund gewählt worden und keineswegs despektierlich gemeint, sondern im Gegenteil als Ehrung, wie bei den meisten Mohren-Apotheken. „Da wehre ich mich innerlich, eine negative Bedeutung zu akzeptieren“, so Paul. Zumal es während der Nazi-Zeit sogar Bestrebungen gab, hier ebenfalls tätig zu werden; da wurde der Begriff durch die Nationalsozialisten an anderen Orten aus rassistischen Gründen entfernt. Anders sah es für Paul hingegen mit den Plastiken im Fenster aus.

Aber auch der deutsche Amtsschimmel hat in solchen Fragen mitzureden: „Wir mussten mit dem Denkmalschutz klären, ob die Köpfe abgenommen werden können“, erzählt Paul. Denn die stilisierten Köpfe aus der Nachkriegszeit, eingelassen in die großen Fenster, sind anders als der Name deutlich streitbarer. Hier sah der Inhaber durchaus Handlungsbedarf, erst recht, nachdem er sich mit der Geschichte des Urhebers auseinandersetzte. Also kamen die Köpfe weg.

Doch beim Namen wird es auch von Amtswegen her schwer: „Die Mohren-Apotheke ist namentlich so im Denkmal-Atlas festgehalten. Das wird voraussichtlich auch so bleiben.“ Selbst wenn er nun die Apotheke umbenennen würde, würde das dazugehörige Gebäude auf immer weiter so heißen wie heute.

Debatten mit allen Lagern

Damit könne die Diskussion theoretisch beendet werden, doch unterschiedlichste Strömungen lassen sich von den Argumenten des Apothekers und von Historiker:innen nicht überzeugen. „Wir hatten schon Schokoküsse an der Scheibe, Leute beschimpfen uns, wir hatten Kreideschmierereien auf dem Boden vor der Tür.“ Und am schlimmsten sei dann auch noch „die braune Bürgerwehr“, die versucht, das Thema für sich zu nutzen und sich mit der Apotheke solidarisieren wolle. Ähnliches erlebte auch in Nürnberg schon Inhaber Wilhelm Bouhon, der die dortigen Mohren-Apotheken betreibt. Auch Paul lehnt solche Bestrebungen kategorisch ab.

„Was hätte ich denn dadurch gewonnen? Es gilt der Grundsatz, dass in der Apotheke alle gleich behandelt werden“, betont der Inhaber, „solange sich alle im Laden vernünftig verhalten. Ich habe das Hausrecht. Rassistische Menschen schmeiße ich raus. Jeder – klein wie groß – jeder kann bei uns Hilfe suchen, wir beantworten alle möglichen Fragen.“ Wenn er selbst aufgrund des Namens als rassistisch bezeichnet werde, ohne dass die Denunzianten die historischen Hintergründe kennen würden, kann er das aber genauso wenig verstehen. Er wünscht sich eine aktive Auseinandersetzung mit dem Thema statt ungehaltene Beschimpfungen.

Für Paul gilt aber trotz der ganz positiven Bedeutung des Apothekennamens: „Jetzt eine neue Apotheke ‚Mohren-Apotheke‘ zu nennen – das geht einfach nicht mehr.“ In Bayreuth bleibt der Denkmal-Name aber ohnehin bestehen, für die Reliefs in den Fenstern war aber Schluss. Also hat der Inhaber bereits vor einem Jahr mehrere Tausend Euro in die Hand genommen, um neue Fenster einzusetzen. „Das ist ewig nicht mal jemandem aufgefallen, dass die Köpfe nun weg sind.“ Erst den immer wieder kommenden Festspielgästen wäre die Veränderung im vergangenen Jahr dann aufgefallen, inzwischen hat auch die Regionalpresse das Thema mehrfach aufgegriffen.

Denkmalschutz macht Betrieb immer schwieriger

Pauls Apotheke ist für die beiden Inhaber nicht nur aufgrund des Namens zunehmend schwierig geworden. „Wir stoßen jetzt langsam an unsere Grenzen – auch durch den Denkmalschutz und das alte Gemäuer.“ Sollte es „Dank“ Bundesgesundheitsministerium hart auf hart kommen, „wäre das auch eine der Filialen, die wir schließen könnten“, so Paul.