„Mit roter Karte kann ich bei Krankenkassen nicht punkten“ Carolin Bauer, 13.06.2018 10:26 Uhr
Dr. Riem Hussein stammt aus einer Apothekerfamilie. Gemeinsam mit ihren zwei Geschwistern übernahm sie den Betrieb von den Eltern. Die 37-Jährige ist aber auch Schiedsrichterin und pfeift für den Deutschen Fußball-Bund (DFB), sie wurde mehrfach ausgezeichnet. Auf die Weltmeisterschaft in Russland freut sie sich, will aber als berufsmäßig Neutrale keinen Tipp abgeben.
Hussein arbeitet Vollzeit als Apothekerin. 2017 übernahm sie mit ihren Geschwistern Fadi und Fadwa die väterliche Apotheke im Kurzentrum in Bad Harzburg. Ihre Tätigkeit als Schiedsrichterin und die Arbeit in der Offizin bekommt sie seit Jahren organisiert. „Die Arbeit mit meinen Geschwistern ist für mich gut, da ich flexibel Termine wahrnehmen kann.“
Bereits als Kind spielte Hussein Fußball und zwar mit Leidenschaft. Als Schiedsrichterin stand sie erstmals mit 18 Jahren auf dem Platz, zwei Jahre später absolvierte sie einen entsprechenden Lehrgang. Anfangs pfiff sie am Wochenende – samstags für den Landkreis Goslar und sonntags beim MTV Wolfenbüttel. Seit 2003 pfiff Hussein auf Bezirksebene. Nach der Uni war die junge Pharmazeutin zunächst bei Solvay/Abbott als Leiterin der Qualitätssicherung tätig und hatte an den Wochenenden frei.
Doch die Arbeit in der Pharmaindustrie erfüllte sie nicht und Hussein wechselte in die väterliche Apotheke. Gleichzeitig baute sie ihre Schiedsrichter-Laufbahn weiter aus. „Pfeifen macht sehr viel Spaß“, sagt sie. 2005 kam der Karrieresprung: Sie wurde DFB-Schiedsrichterin und pfiff Spiele in der 2. Bundesliga der Frauen. Insgesamt war sie bei 16 Spielen der 2. Liga auf dem Platz sowie bei 93 Spielen der Allianz Frauen-Bundesliga. Seit 2009 ist sie zudem als FIFA-Schiedsrichterin aktiv. „Auf dem Platz muss man hellwach sein.“
„Schiedsrichterin zu sein ist anstrengend und eine Sportart für sich,“ sagt die Apothekerin. Bundesweit gibt es rund 3000 weibliche Unparteiische, 75.000 sind Männer. Hussein konzentriert sich auf Frauenwettkämpfe. „Als Frau im Männerspiel muss man die gleichen körperlichen Lauftests mit die männlichen Kollegen machen. Das heißt ein Sprinttest mit sechs Mal 40 Meter in einer bestimmten Zeit beziehungsweise einen Intervalltest in zehn Stadionrunden laufen.“ Besonders in Erinnerung ist ihr die U20-WM in Papua-Neuguinea vor zwei Jahren. International war sie zudem bei Europa- beziehungsweise Weltmeisterschaften in den Niederlanden und der Türkei. „Ich reserviere mir meinen Urlaub fürs Pfeifen.“
In der Apotheke arbeitet sie regulär mit, erledigt Nacht- und Notdienste und kämpft mit den gleichen Herausforderungen wie andere Kollegen. „Mit roter Karte kann selbst ich bei der Krankenkasse nicht punkten“, sagt sie. Die Stammkundschaft in Bad Harzburg kennt die Unparteiische. „Ich habe Kunden, die verfolgen meine Spiele, freuen sich mit mir und sagen, ob sie meine Entscheidung richtig fanden oder nicht.“ Die WM wird sie auch mit kritischen Augen verfolgen. „Als Schiedsrichter achtet man neben dem Fußballspiel natürlich auch darauf, was die Kollegen auf dem Feld machen.“ Ihren Tipp für das Siegertreppchen will sie nicht verraten. „Ich drücke dem deutschen Team die Daumen und hoffe, dass es erfolgreicher spielt als in den letzten Spielen.“
Auch in der Fußballszene ist die Apothekerin ein bekanntes Gesicht. Zur DFB-Schiedsrichterin des Jahres wurde sie 2013 und 2016 gewählt. Zudem war sie 2011 zur Frauen-WM beim ZDF als Expertin verpflichtet. Sie saß während der Spiele als Souffleuse beim Kommentator, half hinter den Kulissen, Szenen einzuordnen. Eine Profikarriere kann sie sich als Schiedsrichterin nicht vorstellen. Sie will weiterhin in der Apotheke für die Kunden da sein. Aber: „Es wäre ein Traum, wenn ich 2019 bei der Frauen-WM in Frankreich im Einsatz wäre. Ich bin derzeit noch im Kandidatenkreis.“