Heilkräuter

Uni Mainz lässt Arzneipflanzen sprießen

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Mainz -

Sauerampfer vertreibt Spulwürmer und Knoblauch ist gut gegen Läuse: Über Jahrhunderte hinweg verließen sich die Menschen auf Heilmittel aus der Pflanzenwelt. Jetzt hat der Botanische Garten in Mainz diese Tradition nach einem Buch aus dem Jahr 1485 zum Wachsen gebracht.

Ein Buch aus dem späten Mittelalter wird wieder lebendig: Der Botanische Garten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat Beete mit 70 Pflanzen aus dem 1485 in Mainz entstandenen Kräuterbuch „Gart der Gesundheit“ angelegt. „Der ganzheitliche Ansatz des Kräuterbuchs ist bis heute aktuell“, sagt der Kustos des Botanischen Gartens, Dr. Ralf Omlor, bei einem Rundgang zwischen Alraune und Beifuß, Diptam und Odermennig.

„Vor 500 Jahren beruhte die medizinische Versorgung zum größten Teil auf Pflanzen“, erklärt der Botaniker. Die Menschen hätten aber nicht erwartet, dass ein Leiden sofort kuriert werde. „Vielmehr sollte die Heilpflanze den Körper wieder ins Gleichgewicht bringen und so eine Heilung ermöglichen.“

Verfasser des Kräuterbuchs war der Frankfurter Stadtarzt Johann Wonnecke von Kaub, der Auftrag dazu kam von dem Mainzer Domherrn Bernhard von Breidenbach. In seiner Vorrede schreibt der Domherr: „Oft und viel habe ich bei mir selbst betrachtet die wundersamen Werke des Schöpfers der Natur“. Das Buch solle darstellen, „durch welcher Kräuter und Kreaturen Kraft der kranke Mensch ... zu seines Leibes Gesundheit wieder mag kommen“.

Das Buch enthält Holzschnitte und Bearbeitungen zu 382 Heilpflanzen sowie 25 tierischen Wirkstoffen und 28 Mineralien. Im Kapitel über den Knoblauch heißt es etwa: „Mit Knoblauchsaft geschmieret das Haupt tötet die Läuse und auch die Nissen darauf.“ Auch bei anderen Pflanzen machen therapeutische Empfehlungen deutlich, mit welchen Leiden sich die Menschen vor mehr als 500 Jahren herumplagen mussten: Der Samen von Sauerampfer soll als Mittel zur Vertreibung von Spulwürmern wirksam sein.

Der Verfasser des ersten gedruckten Kräuterbuchs in deutscher Sprache habe drei unterschiedliche Stränge des zu seiner Zeit vorhandenen Wissens zusammengeführt, erklärt Omlor und nennt die Überlieferung antiker Quellen zusammen mit arabischen Einflüssen, die mittelalterliche Klostertradition und die oft nur mündlich überlieferte Volksmedizin.

Daher finden sich in dem Werk bis heute gültige Befunde wie die antibakterielle Wirkung von Knoblauch neben abwegigen Vorstellungen aus dem Volks- und Aberglauben. Auch Schriftstellen der pflanzenkundigen Mystikerin Hildegard von Bingen aus dem 12. Jahrhundert lassen sich in dem Kräuterbuch nachweisen.

Die Empfehlungen aus dem „Gart der Gesundheit“ haben Generationen von Menschen beeinflusst. Bis ins 18. Jahrhundert hinein erschienen mehr als 60 Nachdrucke und Bearbeitungen.

In Natursteinplatten in der Mitte des Themengartens wurden die Darstellungen von Holzschnitten aus dem Kräuterbuch eingemeißelt. Mit seinen oft sehr naturnahen Abbildungen stehe der „Gart der Gesundheit“ an der Schwelle zu den Anfängen der wissenschaftlichen Botanik, sagt Omlor.

Zu den ersten Besuchern des Themengartens zählt der Koblenzer Apotheker Dr. Otto Eichele, der auch selbst botanische Führungen gestaltet. „Ich versuche, den Menschen die Augen zu öffnen“, sagt er. Auch wenn sie sich nicht alle Pflanzennamen merken könnten, würden sie auf diese Weise doch dazu gebracht, in der Natur genauer hinzuschauen. „Ein großer Teil der Bevölkerung will zurück zur Natur – das merke ich als Apotheker, wenn unsere Kunden nach pflanzlichen Mitteln fragen.“

Heilsame Wirkung kann bereits ein Besuch des Kräutergartens entfalten. Wer danach auch in der Natur einzelne Pflanzen wiederfindet wie etwa den Borretsch mit seinen schönen blauen Blüten kann auch heute noch dem Rat im „Gart der Natur“ folgen: „Borretschblumen roh gegessen nimmt das Herzzittern und macht den Menschen wohlgemut.“

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