Das Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam steht im Visier von Ermittlungen in einem vermutlich millionenschweren Rezept-Betrugsfall. Der Verdacht: Teure Medikamente sollen doppelt abgerechnet worden sein. Gerade hat die Staatsanwaltschaft Potsdam den Kreis der Beschuldigten, gegen die ermittelt wird, von sechs auf 21 ausgeweitet. Im Fall einer Anklage geht es um mehrjährige Haftstrafen.
Bereits im September 2017 fanden Hausdurchsuchungen statt, damals war von sechs Tatverdächtigen die Rede. Durchsucht wurden fast 30 Wohnungen, Labore und Apotheken in Berlin, Hamburg und Hennef in Nordrhein-Westfalen. Ermittelt wird gegen Apotheker sowie mehrere Ärzte des Potsdamer Klinikums, auch ein renommierter Chefarzt soll laut Informationen der Potsdamer Neueste Nachrichten unter den Verdächtigen sein.
So soll es zu den mutmaßlichen Betrugstaten gekommen sein: Wird ein Patient in einem Krankenhaus behandelt, erhält die Klinik von der Krankenkasse eine Fallpauschale. In dieser sind auch die Kosten für Medikamente enthalten. Allerdings können Patienten auch aufgefordert werden, sich die nötigen Medikamente verschreiben zu lassen und in der Apotheke abzuholen. In diesem Fall würde die Krankenkasse dann doppelt zahlen.
Im Potsdamer Fall wurde das hochpreisige entzündungshemmende Medikament Remicade wiederholt doppelt abgerechnet, die Erlöse sollen Mediziner und Apotheker geteilt haben. Der Schaden trifft die Krankenkassen. Remicade wird unter anderem bei der Behandlung von Krankheiten wie rheumatoider Arthritis, Morbus Crohn und Psoriasis eingesetzt. Die Behandlung einer chronischen Darmentzündung kann beispielsweise je nach Dauer einige tausend Euro kosten. Die Tageszeitung „Welt“ hatte zu Beginn der Ermittlungen den entstandenen Schaden auf rund 3,8 Millionen Euro geschätzt.
Diese Zahl will die Staatsanwaltschaft Potsdam gegenüber APOTHEKE ADHOC weder bestätigen noch dementieren. Wie hoch genau der entstandene Schaden ist, sei Gegenstand der Ermittlungen. „Die Ermittlungen wegen Betruges und anderer Tatvorwürfe laufen“, sagt eine Pressesprecherin. „Zu Einzelheiten machen wir keine Angaben, wir können nur bestätigen, dass das Medikament Remicade in vielen Fällen doppelt abgerechnet wurde.“ Auch Details zu betroffenen Apothekern gibt die Staatsanwaltschaft wegen laufender Ermittlungen nicht bekannt. Ein Ende der Ermittlungen sei, so die Pressesprecherin, derzeit nicht abzusehen und in der Folge auch ein Termin für einen Prozessbeginn nicht abzuschätzen.
Auch im Klinikum Ernst von Bergmann gibt man sich wortkarg. Theresa Decker, stellvertretende Pressesprecherin, sagt auf Anfrage von APOTHEKE ADHOC: „Es handelt sich um laufende Ermittlungen, zu denen ich leider nichts sagen kann. Wir unterstützen die Ermittlungen.“
Die Betrugssache flog auf, nachdem die Barmer Strafanzeige gestellt hatte. Prüfern der Kasse war aufgefallen, dass Rezepte für Remicade für eine Potsdamer Apotheke ausgestellt wurden, die nicht über die nötigen Standards zur Portionierung und Mischung von Remicade verfügte.
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