Mietzahlungen gestoppt: Empörung über Handelsketten dpa, 29.03.2020 18:52 Uhr
Um ihre Kosten bei fehlenden Einnahmen zu drücken, setzen große Handelsketten Mietzahlungen für ihre Filialen aus. Die Justizministerin weist darauf hin, dass das auch in der Corona-Krise nicht einfach so geht. Und der Adidas-Chef stellt etwas klar.
Der Stopp von Mietzahlungen für Ladengeschäfte großer Unternehmen hat eine Welle der Empörung ausgelöst. Mehrere Bundesminister, der Deutsche Mieterbund und der Eigentümerverband Haus& & Grund kritisierten das Vorgehen scharf. Bekannte Handelsunternehmen hatten die Mietzahlungen für ihre Filialen in Deutschland eingestellt, nachdem diese wegen der Coronavirus-Ausbreitung schließen mussten. Darunter sind Handelsketten wie Deichmann und H&M sowie Markenhersteller wie Adidas.
Deichmann sprach von einer „präventiven Maßnahme, um die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten“. Adidas-Vorstandschef Kasper Rorsted stellte mittlerweile klar, der Sportartikelkonzern wolle privaten Vermietern seiner Läden unverändert die Miete zahlen. „Nur im Ausnahmefall sind unsere Vermieter Privatpersonen; wir haben sie ausgenommen, sie werden ihre April-Miete wie gewohnt erhalten“, sagte Rorsted der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die meisten eigenen Geschäfte würden von großen Immobilienvermarktern und Versicherungsfonds angemietet. Diese hätten für den vorläufigen Mietzahlungsstopp „überwiegend Verständnis gezeigt“.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte zuvor gesagt: „Wenn jetzt finanzstarke Unternehmen einfach ihre Mieten nicht mehr zahlen, ist dies unanständig und nicht akzeptabel.“ Die Corona-Hilfsgesetze böten dafür keine Grundlage. Es gelte weiterhin: „Mieter müssen selbstverständlich ihre Miete zahlen. Falls sie tatsächlich infolge der Krise in ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten geraten, kann ihnen lediglich für einen begrenzten Zeitraum nicht gekündigt werden.“
Gerichte könnten überprüfen, ob die Voraussetzungen hierfür vorliegen, fügte Lambrecht hinzu. Mieter seien gut beraten, mit ihren Vermietern nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen, wenn sie tatsächlich in Zahlungsschwierigkeiten seien, sagte Lambrecht.
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) nannte es in der Bild am Sonntag irritierend, „wenn große Unternehmen einfach so einen Mietzahlungsstopp verkünden. Jetzt ist die Zeit der Kooperation.“ Zu einer guten Geschäftsverbindung gehöre auch, sich in schweren Zeiten miteinander zu verständigen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte dem Handelsblatt: „Ich halte das Verhalten von Adidas für unverantwortlich und habe dafür kein Verständnis.“
Auch Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, zeigte sich entrüstet: „Das ist eine Unverschämtheit sondergleichen. Diese großen Firmen verdienen hervorragendes Geld und berufen sich jetzt auf ein Gesetz, das doch die Kleinen schützen soll“, sagte er der Bild. Der Präsident von Haus & Grund, Kai Warnecke, sagte dem Blatt: „Die Handelsketten nehmen das Gesetz vorsätzlich zum Anlass, um Mietzahlungen auszusetzen. Das ist absolut missbräuchlich. Es untergräbt die Zahlungsmoral.“
Derweil hat der Elektronikeinzelhändler Ceconomy (Media Markt, Saturn) angekündigt, wegen der Einbußen in der Corona-Krise Finanzhilfen bei der staatlichen Förderbank KfW zu beantragen. Man ergreife alle notwendigen Maßnahmen, das Geschäft abzusichern und die Auswirkungen der Pandemie abzumildern, teilte eine Sprecherin mit. Zu den Maßnahmen gehörten auch Kostensenkungen und das Aussetzen von Investitionen. „Es ist derzeit jedoch völlig unklar, wie lange die Phase bis zur Wiederaufnahme unserer normalen Geschäftstätigkeit dauern wird“, hieß es. „Daher haben wir uns entschieden, zusätzlich eine KfW-Finanzierung zu beantragen.“ Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte am Samstag berichtet, Ceconomy spreche sowohl mit den Hausbanken als auch der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) über ein Finanzierungspaket in Höhe von rund zwei Milliarden Euro und berief sich dabei auf mit der Sache vertraute Personen. Die Höhe möglicher Finanzhilfen wollte die Sprecherin nicht kommentieren.
Galeria Karstadt Kaufhof kämpft ebenfalls um Staatshilfe – bisher jedoch noch ohne Erfolg. Um das Warenhausunternehmen mit seinen 28.000 Mitarbeitern und rund 170 Standorten zu retten, ist Eigentümerin Signa offenbar auch selber bereit, „signifikante finanzielle Unterstützung“ zu leisten. Das geht aus einem internen Papier des Konzerns vor, das dem Fachmagazin TextilWirtschaft (dfv Mediengruppe) vorliegt. Mit Blick auf die erzwungenen Ladenschließungen wegen Corona heißt es dort: „Jede Woche verlieren wir mehr als 80 Millionen Euro Umsatz, während wesentliche Kosten weiterlaufen.“