Nachtdienstgedanken

„Meine Versandapotheke bringt mir das auch“

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Berlin -

Es ist wieder soweit: Sarah Sonntag ist für den bevorstehenden Notdienst gewappnet und hat sich bereits mit ausreichend Nervennahrung und Lektüre für die Nacht eingedeckt. Fantaschale Max ist natürlich auch am Start. Dass sie den Sinn ihrer Arbeit heute Nacht noch in Frage stellt, ahnt sie noch nicht.

Bevor es richtig losgeht, überprüft Sarah noch einmal die Schubladen der HV-Tische auf Vollständigkeit und rückt Tüten, Stempel und Kugelschreiber zurecht. In der vergangenen Woche war unheimlich viel zu tun und wer weiß, was ihr diese Nacht bevorsteht. „Vielleicht ist es manchmal gut, nicht zu wissen was kommt“, merkt Max an. Sarah nickt zustimmend. „Wie poetisch“, grinst sie. Kurz darauf klingelt das Telefon. Noch bevor Sarah sich melden kann, schallt es lautstark aus dem Hörer: „Hallo, bin ich da in der Apotheke?“

Der Anrufer, ein junger Mann, wirkt gestresst: „Ich glaube, meine Freundin hat eine Blasenentzündung“, sagt er. Aus dem Hintergrund ertönt eine weitere Stimme: „Sag ihr, dass ich wirklich starke Schmerzen habe! Ich brauche sofort etwas, das muss helfen.“ Sarah erkundigt sich nach den genauen Symptomen. „Hat ihre Freundin Fieber oder Blut im Urin?“ Aus dem Off kommentiert die junge Frau alles lautstark. Ihr Freund am Hörer ist sichtlich überfordert. „Vielleicht geben sie mir einfach kurz ihre Freundin? Das wäre einfacher“, erklärt Sarah.

Kurz darauf kracht es in der Leitung. „Bringen sie mir jetzt was vorbei oder was?“, brüllt die Dame ins Telefon. Sarah erklärt ihr, dass sie im Notdienst vor Ort sei, aber kein Bote zur Verfügung stehe. „Ich habe Schmerzen! Sie müssen mir doch helfen, sie sind doch die Apotheke!“ Sarah schüttelt ungläubig den Kopf. „Natürlich helfe ich ihnen, deshalb verbringe ich auch die ganze Nacht in der Apotheke. Sie können gern ihren Partner vorbeischicken, dann lege ich schon etwas zurecht“, entgegnet Sarah.

Die Frau am anderen Ende ist voller Unverständnis: „Und was wäre, wenn ich jetzt alleine Zuhause wäre? Dann müssten sie ja auch vorbeikommen.“ Sarah versucht es erneut: „Ich bin auch alleine hier im Notdienst und kann die Apotheke nicht verlassen.“ Die Kundin erklärt Sarah, sie solle ihrem Chef ausrichten in Zukunft für den Notdienst einen Boten einzustellen, Versandapotheken würden ihr schließlich auch alles bis nach Hause bringen. „Ganz ruhig Sarah, verlier jetzt nicht deine guten Manieren“, denkt sich die Apothekerin und muss tief durchatmen, um nicht die Nerven zu verlieren.

„Wissen Sie, Ihre Versandapotheke macht keine Notdienste und bringt ihnen die Ware auch nicht sonntags nachts vorbei.“ Daraufhin herrscht Stille am anderen Ende. „Mein Freund kommt gleich.“ Zack, aufgelegt. „Manchmal frage ich mich, wofür ich mir hier die Nächte um die Ohren schlage“, sagt Sarah wütend. „Immer wieder diese Diskussionen.“ Manchmal ist es wirklich frustrierend. Kurz darauf steht ein junger Mann vor der Klappe. Sarah atmet erneut tief durch und versucht die vergangenen Minuten zu vergessen. „Guten Abend, es tut mir wirklich leid“, sagt er unsicher. Sarah ist verdutzt. „Was tut ihnen leid?“, fragt sie.

„Na das Verhalten meiner Freundin am Telefon. Sie ist wirklich unausstehlich, wenn sie Schmerzen hat.“ „Ach, sie sind das, da waren sie aber schnell hier“, bemerkt Sarah. Der junge Mann erklärt, dass sie nicht weit entfernt wohnen und er schon vor dem Anruf einfach vorbeikommen wollte. Doch seine Freundin beharrte auf den Botendienst. Sarah ist immer noch sauer, holt ihm jedoch die Medikamente und erklärt ihm alles zur Einnahme. „Vielen Dank, ich hoffe sie haben eine ruhige Nacht. Ich würde nicht mit ihnen tauschen wollen“, lächelt der Mann. „Ich bin froh, dass es die Apotheken vor Ort gibt.“ Sarah schließt die Klappe. „Genau für solche Menschen machst du den Job, Sarah“ , sagt Max.

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