Untersuchungen

Mehr Notfälle auf Reisen

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Toronto/Berlin -

Ärzte, Pfleger oder Krankenschwestern können auch in ungewöhnlichen Situationen um Hilfe gebeten werden – zum Beispiel im Flugzeug. Auf diesen Moment sollten sie sich vorbereiten, raten Kollegen.

„Ist ein Arzt an Bord?“ Wenn dieser Hilferuf in einem Flugzeug ertönt, hat nicht jeder so viel Glück wie die britische Großmutter Dorothy Fletcher. 2004 erlitt sie auf dem Weg nach Florida zur Hochzeit ihrer Tochter einen Herzinfarkt – und prompt eilten ihr 15 Kardiologen zur Hilfe. Die Fachärzte waren im selben Flieger auf dem Weg zu einer Herzkonferenz in Orlando. Sie retteten die damals 67-Jährige.

Aufrufe dieser Art versetzen immer mehr Ärzte und anderes medizinisches Personal auf Reisen spontan unter Handlungsdruck. Denn mit der steigenden Zahl der Flugreisenden weltweit gibt es auch immer mehr medizinische Notfälle. Doch längst nicht alle Ärzte sind darauf vorbereitet, mahnen Notfallmediziner im „Canadian Medical Association Journal“.

Die häufigsten Gründe für Hilfseinsätze im Flieger seien Bewusstlosigkeit (37 Prozent), Atemprobleme (12 Prozent), Übelkeit (10 Prozent), Herzprobleme (8 Prozent) und Krampfanfälle (6 Prozent), schrieben die kanadischen Mediziner. Sie zitieren in ihrer Übersichtsarbeit eine nordamerikanische Untersuchung.

Schätzungsweise 2,75 Milliarden Menschen sind mittlerweile jährlich in Personenflugzeugen unterwegs. Allein in Kanada gab es von 2009 bis 2015 einen Anstieg von 27 Prozent. Auch das höhere Alter vieler Passagiere und die größere Anzahl von Reisenden mit Gesundheitsproblemen ist für die Zunahme der Notfälle verantwortlich, schreiben die kanadischen Notfallmediziner. Zudem fliegen mehr Menschen Langstrecke, was sie länger dem niedrigen Luftdruck, extrem trockener Luft und eingeschränkter Bewegungsfreiheit aussetzt.

„Zu wissen, was von einem erwartet wird, könnte die Ärzte besser vorbereiten, wenn dieser Aufruf in 36.000 Fuß (11.000 Meter) Höhe das nächste Mal kommt“, betont der Notfallmediziner Alun Ackery von der Universität Toronto. Die Autoren beschreiben in der Studie und in einem Video, auf was in dieser besonderen Behandlungssituation zu achten ist. So raten sie, dass anwesende Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern in schwerwiegenden Notfällen ein Team mit klar verteilten Rollen bilden sollen.

Anders als in Kanada oder den USA sind in Deutschland mitreisende Ärzte sogar gesetzlich verpflichtet, in solchen Fällen Hilfe zu leisten. Nach Auskunft der Lufthansa stehen dann über ein Satellitentelefon auch Ärzte am Boden bereit, um die Helfer über den Wolken zu unterstützen. Außerdem gibt es ein Programm, bei dem Ärzte sich registrieren lassen können – sie werden auf Flügen im Notfall dann angesprochen.

Aktuelle Zahlen zu den Einsätzen wollte die Fluggesellschaft nicht mitteilen. Für die Jahre von 2000 bis 2011 zeigt das Lufthansa-Register jedoch, dass solche Zwischenfälle zunehmen. Zahlen von 2012 zeigen, dass Extremsituationen wie Reanimationen und Todesfälle ebenso wie Geburten und psychiatrische Zwischenfälle jedoch selten sind. 2011 registrierte die deutsche Fluggesellschaft einen Notfall pro 10.000 Reisende. 70 Prozent der Situationen treten bei Interkontinentalflügen auf. Wie oft dies weltweit geschieht, ist wegen uneinheitlicher Zählungen unklar. Schätzungen schwanken von einem Fall auf 62.500 Passagiere bis hin zu einem Fall auf 7700 Passagiere.

Bei Bahnreisen sind solche Situationen einfacher zu lösen, berichtet die Deutsche Bahn (DB). „Medizinische Notfälle sind im Vergleich zur Zahl beförderter Menschen recht selten“, sagt Dr. Christian Gravert, Leitender DB-Arzt. Anders als im Flugzeug könnten Reisende sich frei bewegen, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit seien normal. „Sollte sich im Zug jemand ängstigen oder einfach nicht wohl fühlen, kann er die Reise ziemlich mühelos an jedem Bahnhof unterbrechen.“

Aber auch bei der Bahn gibt es einen Handlungsleitfaden für Zugbegleiter, einen Notfallkoffer in jedem IC/ICE und den Anspruch, binnen 20 Minuten einen Notarzt beim Patienten zu haben. Auch im Zug werde nach Ärzten ausgerufen – oft würden sich dann sogar gleich mehrere melden.

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