Mehr Eigenbeteiligung: Rettung für das Gesundheitssystem? Patrick Hollstein, 20.09.2024 13:30 Uhr
Mehr Eigenverantwortung und vor allem mehr finanzielle Eigenleistung der Patient:innen könnten das Gesundheitssystem entlasten. Außerdem muss eine bessere Vernetzung und Datensharing stattfinden. Dies war eine übereinstimmende Meinung beim Branchentreff HealthLab von BCN in München. Denn Gesundheitsversorgung ist systemrelevant – und nicht zuletzt ein großer Wirtschaftsfaktor.
BCN, die gemeinsame Vertriebsschiene der Publikumsverlage Burda, Funke und Klambt, hatte geladen; namhafte Akteure der Gesundheits- und Medienbranche waren nach München gepilgert. Es ging dann auch viel um Gesundheit und Medien, nur selten direkt um den Patienten.
Mehr Ausgaben, weniger Einnahmen
Dr. Christian Schareck, Senior Partner bei Roland Berger, zeigte ein düsteres Szenario der Finanzierung des Gesundheitssystems: 2022 beliefen sich die Ausgaben für Gesundheit auf 500 Milliarden Euro. Das sind knapp 6000 Euro pro Person und 12,8 Prozent des BIP. Die Deckung wird für die Kostenträger immer schwieriger. Einer erwarteten Steigerung der GKV-Ausgaben von 132 Prozent in den kommenden Jahren steht eine Zunahme der Einnahmen von nur 124 Prozent gegenüber.
Mehr Eigenleistung und Eigenverantwortung
Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin Pharma Deutschland, lieferte einen recht pragmatischen Lösungsvorschlag: „Man muss und kann Versicherten mehr Eigenverantwortung zutrauen.“ Sie forderte ein breiteres OTC-Angebot und ein Entlassen weiterer Medikamente aus der Rezeptpflicht. Einsparungen sind für sie der falsche Weg. „Wenn wir sagen, alles ist teuer und wir müssen billiger produzieren, kommt das, was wir jetzt haben: Lieferengpässe.“
Mehr digitale Plattformen für Apotheken
Die große Herausforderung der Nichtverfügbarkeit von Arzneimitteln für Apotheken betonte auch Simon Bücher, Geschäftsführer IhrApotheken.de. „Wir müssen einen Kanal schaffen, damit Patienten nicht mehrfach in die Apotheke kommen müssen,“ sieht er einen Lösungsansatz. „Wir sollten Apotheken noch mehr zum niederschwelligen Gesundheitsversorger machen.“ Sein Vorschlag: digitale Plattformen, über die Patient:innen nicht nur Arzneimittel, sondern auch Termine für pharmazeutische Dienstleistungen buchen können. Man müsse die Leistungserbringer des Gesundheitssystems stärken und besser Verknüpfen.
Mehr Kommunikation und Information
Als Apothekenfan outete sich Schareck. In seiner Auflistung der bedrohlichen Zustände stand die Schließung von rund 500 Apotheken im vergangenen Jahr ganz oben. „Gesundheitsversorgung ist systemrelevant. Das ist keine Marmeladensorte, die ich einfach aus dem Regal streichen kann.“
Und er sprach sich auch klar gegen den Trend der Gamification aus. „Wir brauchen bessere Informationen. Die Versicherungen sollen als Partner der Patienten auftreten.“ Die Basis für eine gute Gesundheitsvorsorge liefert für ihn eine vertrauensvolle Kommunikation.
Weniger Bürokratie
Mehrfach betont wurde der Abbau der Bürokratie. Marco Hammerstein, Geschäftsführer der Sanitätshauskette Rahm, sah dies auch als großen Bremser in der Pflege. „Patienten werden immer früher aus den Krankenhäusern entlassen. Pflegefachkräfte können den Mehraufwand nicht kompensieren – denn die gibt es schlichtweg nicht.“ Außerdem warnte er vor einer drohenden Rentenschwemme, die demnächst anstehe. Man müsse den Fokus auf die Qualität legen – „denn am Ende können wir uns schlechte Qualität gar nicht leisten.“