Manche Apothekeninhaber fallen in der Corona-Krise durch Meinungen auf, die nicht den allgemein anerkannten Erkenntnissen entsprechen. Solange sie dadurch nicht ihre heilberuflichen Aufgaben beeinträchtigen, ist das ihr gutes Recht. Allerdings stehen viele Betriebe nicht nur für ihren eigenen Namen ein, sondern auch für die Kooperationen, bei denen sie Mitglied sind und deren Logos sie auf dem Schaufenster tragen. Wie geht man damit um? Die Sanacorp-Kooperation mea distanziert sich von einem solchen Fall, sieht aber keine Handhabe. Ein Sonderkündigungsrecht für politische Umtriebe werde vertraglich explizit ausgeschlossen.
Apotheken müssen bei Aufrufen im Zusammenhang mit den Corona-Schutzmaßnahmen so vorsichtig sein wie andere Betriebe auch. Zur Missachtung gesetzlicher Vorgaben aufzurufen, ist deshalb keine Option. Die Botschaft steht deshalb meist zwischen den zeilen: „In Geschäften herrscht in Deutschland die Maskenverordnung – so auch hier“, steht am Eingang der Kölner Europa-Apotheke*, über das Apotheken-A geklebt. „Sollte es Ihnen aus gesundheitlichen oder anderen Gründen nicht möglich sein, eine Maske zu tragen, sind sie bei uns trotzdem willkommen.“
Das wirkt erst einmal unverfänglich. Deutlicher wird die Inhaberin auf anderen Aushängen, ebenfalls direkt an der Eingangstür: „Bei uns gilt die 1G-Regel – gesunder Menschenverstand. Jeder ist willkommen!“, heißt es da. „Ob mit oder ohne Gs – gemeinsam gegen die Spaltung der Gesellschaft“, steht auf einem anderen Aushang direkt darunter.
Justiziabel ist all das auf keinen Fall. Die Apotheke verstößt gegen keine rechtlichen Vorgaben, auch nicht gegen das Apothekengesetz oder die Apothekenbetriebsordnung. Allerdings könnte der Fall für jemand anderen unangenehm sein, denn der Betrieb ist im Schaufenster erkennbar klar als mea-Apotheke gebrandet – und das ist nicht nur vor Ort erkennbar. Erst kürzlich machte ein Journalist mit entsprechender Reichweite auf Twitter auf die Aushänge aufmerksam: „So jemand betreibt in Deutschland eine Apotheke“, schreibt Alexander Demling, Silicon-Valley-Korrespondent des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“. Demling hat eine entsprechende Reichweite, über 10.000 „Gefällt mir-Angaben“ und 770 Retweets erhielt sein Post.
Reagiert hat mea bislang nicht – allein schon, weil der Fall in der Hauptverwaltung nicht bekannt sei, wie die Kooperation auf Anfrage mitteilt. Gegenüber den zur Schau gestellten Ansichten zeigt mea keine Sympathie: „Wir nehmen die Gefahren, die von der Pandemie ausgehen, sehr ernst und betreiben viel Aufwand, um alle unsere Beschäftigten und auch Kunden so gut es geht vor möglichen Infektionen zu schützen“, so ein Sanacorp-Sprecher. „Von daher distanzieren wir uns ausdrücklich und entschieden von jeder Art von Verschwörungstheorien inklusive deren Verbreitung.“
Eine Meinung abzulehnen, heißt aber nicht gleich, sie zu verbieten – so funktioniert das in einer Demokratie. Politisch motivierte Maßnahmen einzelner Apotheker werde Sanacorp als genossenschaftlicher Großhandel nicht kommentieren. „Die Genossenschaft ist ein Zusammenschluss vieler unabhängiger Einzelunternehmer, die sich auch jeweils eigenverantwortlich ihre Meinung bilden“, so der Sprecher. Und dass sich die Sanacorp nicht in die rechtlich zulässigen Belange ihrer Kooperationsmitglieder einmischt, sei sogar vertraglich zugesichert. Sie habe mit allen Teilnehmern einen entsprechenden Kooperationsvertrag abgeschlossen, der explizit kein Sonderkündigungsrecht für den Fall abweichender politischer Interessen oder Meinungsäußerungen vorsieht.
Dass das Gebaren der Apotheke negative Auswirkungen auf das Image von mea hat, befürchte Sanacorp nicht. „Tatsächlich glauben wir nicht, dass durch die zur Schau Stellung einer persönlichen Einzelmeinung unsere Apothekenkooperation in Verbindung mit fragwürdigen Corona-Ansichten gebracht wird.“ Andere würde das schließlich auch nicht betreffen: So seien in der Apotheke „ja sicherlich auch weiterhin bekannte Produkte und Medikamente namhafter Hersteller erhältlich, die sich vermutlich in gleicher Weise von dem dort verbreiteten Gedankengut distanzieren“, so ein Sanacorp-Sprecher. Mit einem kleinen Seitenhieb drückt die Genossenschaft aus, was sie von den Schildern hält: „Als liberales Apothekerunternehmen empfehlen wir derartigen Einzelaktivitäten so wenig Aufmerksamkeit wie nur möglich zukommen zu lassen.“
*Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Beitrags war eine Apotheke genannt worden, die zwar gleichlautende Aushänge im Schaufenster hat, aber nicht in dem Tweet abgebildet ist. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.
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