Weil die Kapazität des Kommissionierers beim laufenden Betrieb erweitert werden soll, greift Apotheker Wolfgang Müller auf einen Container-Kommissionierer zurück. Etwa eine Woche lang kommen die Medikamente nun durch das Seitenfenster seiner Mannheimer Marien-Apotheke.
Zwar hat der Apotheker erst vor zwei Jahren einen Komissionierer eingebaut. Doch die Erfahrung habe gezeigt, dass die Kapazität auf lange Sicht nicht ausreicht. „Ich möchte die Apotheke ja irgendwann einmal an meine Tochter oder einen anderen Nachfolger übergeben“, sagt Müller. Für eine moderne Apotheke sei aber nun einmal eine größere Warenlagerkapazität notwendig.
Während der Kommissionierer umgebaut und erweitert wird, muss allerdings das komplette Warenlager ausgeräumt werden. „Da kann man die Medikamente ja nicht einfach in Großhandelskisten lagern. So finden wir nichts wieder“, sagt Müller. Die Arzneimittel in alte Schubladenschränke einzuräumen, würde ebenfalls wenig Sinn und viel Arbeit machen. Außerdem seien die Schränke längst entsorgt.
Wohin also mit all den Packungen? Die Lösung: Das gesamte Warenlager kommt für die Dauer der Arbeiten „auf die Straße“. Dort steht nun, nur wenige Zentimeter von der Hausfassade entfernt, ein Outdoor-Kommissionierer. Der Automat ist in einem roten Standard-Wohncontainer verbaut und wiegt laut Müller rund fünf Tonnen. Mit einem LKW angeliefert, musste er nur noch an das Stromnetz der Apotheke sowie ans Internet und das Warenwirtschaftssystem angeschlossen werden, berichtet der Apotheker.
Zwar war das mobile Warenlager schnell einsatzbereit. Doch bis alle Arzneimittel aus dem alten Kommissionierer aus- und im Container eingelagert waren, herrschte Ausnahmezustand. „Rund 30 Stunden haben wir gebraucht, um die derzeit rund 4000 Packungen umzulagern“, so Müller. Die Befüllung findet von einer Stirnseite vollautomatisch statt. Die Auslagerung erfolgt über die Längsseite.
Und somit kommen die Arzneimittel der Marien-Apotheke durch das Seitenfenster, an das der Container angedockt ist. „Eigentlich hat sich nicht viel geändert“, sagt Müller. „Wir laufen eben wie früher nach hinten. Nur nehmen die Packungen nicht aus den Schubschränken, sondern aus dem Warenschacht am Fenster.“ Stünde draußen nicht der rote Container, würden die Kunden gar nicht merken, dass im hinteren Bereich ihrer Apotheke gerade Umbauarbeiten stattfinden.
Nicht nur logistisch, sondern auch sicherheitstechnisch sei der Outdoor-Kommissionierer eine tolle Übergangslösung, sagt der Apotheker. Der schwere Container stehe so eng an der Hauswand, dass es praktisch nicht möglich sei, seitlich vorbei und an das tagsüber offene Fenster zu kommen. Nach Ladenschluss würden das Fenster einfach zugemacht und die Jalousien heruntergelassen.
Nach der Erweiterung sollen im Kommissionierer rund 6000 statt den bisherigen 4000 Packungen eingelagert werden. „Das ist eine ganze Menge, wenn man bedenkt, dass wir eine denkmalgeschützte Apotheke sind und deshalb auch darauf achten müssen, dass moderne Elemente sich harmonisch in das Jugendstil-Ambiente einfügen“, betont der Pharmazeut.
Die Marien-Apotheke ist seit 1912 nahezu unverändert geblieben und wurde vor 30 Jahren aus künstlerischen und heimatgeschichtlichen Gründen zum Kulturdenkmal erhoben. Sie steht damit auf einer Stufe mit den bekannten Mannheimer Jugendstil-Gebäuden, wie der Christuskirche und der Mannheimer Kunsthalle. Ihre ursprüngliche Ausstattung aus dem Jahr 1912 mit Holzregalen und Wandschränken, Deckenstuck und Türelementen ist noch weitgehend erhalten. Das Highlight ist ein über 100 Jahre alte Destillierofen, auf den sogar das Heidelberger Apothekermuseum seit Längerem ein Auge geworfen haben soll. Er wurde als Blickfang in die Einrichtung integriert.
Doch trotz Denkmalschutz legt Müller einen besonderen Wert darauf, eine hochmoderne Apotheke zu sein. Seit er die Apotheke vor rund 40 Jahren übernommen hat, wurde sie nicht nur mehrmals renoviert und restauriert, sondern auch modernisiert. „Wir wollten schließlich nicht in Schönheit sterben“, sagt der Apotheker. Den Kunden umfange zwar der Charme des Jugenstils. Dahinter stecke aber eine fortschrittliche Apotheke aus dem 21. Jahrhundert mit all den technischen Neuerungen.
In der Symbiose von Erhalten und Nutzen ist der Marien-Apotheke trotz den Hemmnissen des Denkmalschutzes sogar eine DIN ISO-Zertifizierung gelungen. So wurde beispielsweise die Barrierefreiheit, die für neue Apotheken mittlerweile obligatorisch ist, umgesetzt, indem eine Klingel mit dem Schild „Wir kommen zu Ihnen. Bitte läuten.“ an der Tür anbrachte. Vertrauliche Gespräche seien in dem Beratungsraum hinter der Offizin möglich.
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