„Manche Kunden haben imaginäre Enkel“ Hanna Meiertöns, 30.12.2022 14:03 Uhr
Nach Fiebersäften nun auch Hustensäfte nur noch auf Zuteilung? In der Kranich-Apotheke in Kitzingen in Bayern wird aufgrund der Lieferengpässe bei der Beratung besonders genau hingeschaut. Patient:innen werden deshalb mitunter kreativ mit ihren Ausreden.
Seit vorletzter Woche sind die Regale der Sichtwahl in der Kranich-Apotheke von Dr. Gunhild Kempf mit Zetteln bedeckt: „Reserviert für Kinder“, lesen Kund:innen an allen Platzierungen, an denen Fieber- aber auch Hustensäfte stehen. „Es ist nichts mehr lieferbar“, erzählt die Inhaberin, „ich bekomme aktuell nichts mehr nach.“ Darüber können sich die Kund:innen auch an den HV-Tischen belesen, auf denen Informationen dazu platziert sind. Zusätzlich wird auch durch die Inhaberin und ihr Team aufgeklärt und gezielt beraten.
Sie habe ihr Lager noch so weit aufgestockt, wie es möglich war, müsse aber jetzt haushalten: Jegliche Säfte geben sie und ihr Team nur noch an Patient:innen ab, für die es keine Alternative gebe: „Ich denke dabei vor allem an die Kinder“, so die Inhaberin. Wenn nichts mehr übrig sei, könne sie die Eltern nur noch zur Klinik schicken.
Ärzte empfehlen oft Säfte
„Deutschland ist ein Saft-Land“, sagt Kempf, sogar Ärzte würden Erwachsenen häufig Säfte empfehlen. Aktuell gilt: „Wenn hier jemand nach einem Saft fragt, können Sie sicher sein, dass er ganz besonders ausführlich beraten wird“, so Kempf weiter. Erwachsene würden gerade bei Husten aktiv von Saftzubereitungen „wegberaten“ werden. Stattdessen würden zum Beispiel Lutschtabletten oder andere Darreichungsformen abgegeben, die sich nicht für Kinder eignen. Unter den Patient:innen mache sich das teilweise schon bemerkbar: „Wenn ein Erwachsener hereinkommt und nach einem Hustensaft fragt, wird er manchmal schon von den Patient:innen in der Schlange hinter ihm aufgeklärt“, schildert Kempf, „manche haben es einfach kapiert.“
Kunden reden sich raus
Das Vorgehen provoziert aber auch Diskussionen: „Wenn mir eine Mutter erzählt, dass sie für ihre 16-Jährige Tochter einen Saft braucht, muss ich auch sie darüber aufklären, dass wir den Saft nur für Kinder abgeben.“ Bei der Aussage, dass es aber doch ihr Kind sei und dieses keine Tabletten schlucken könne, habe sich auch schon mal eine andere Kundin zu Wort gemeldet: „Dann wird sie das jetzt lernen.“ Die Tabletten hätten laut Kempf lediglich einen Durchmesser von 3,4 mm gehabt.
„Manche Kund:innen haben natürlich auch imaginäre Enkel“, erzählt sie, oder andere kleine Kinder in ihrem Umfeld, für die dann Arzneimittel mitgebracht werden sollen. Wenn aber auf Nachfragen nach Alter und Gewicht keine vernünftige Auskunft gegeben werden könne, „dann gibt es nichts“, so Kempf.