Das Ausmaß des Pharmaskandals in Brandenburg soll noch größer sein als bislang bekannt. Nach Recherchen des ARD-Politikmagazins „Kontraste“ wurde der Pharmahändler Lunapharm bereits von 2013 an von einer griechischen Apotheke beliefert, die auch gestohlenen Krebsmedikamente vertrieben haben soll. Bis mindestens März 2018 sei der Handel zwischen den Unternehmen fortgesetzt worden, berichtet das Magazin in seinem Beitrag, der am heutigen Donnerstag (21.45 Uhr) gesendet werden soll. Allein in den Jahren 2013 bis 2016 seien Medikamente für mehr als 20 Millionen Euro an Lunapharm geliefert worden.
Brandenburgs Gesundheitsministerium geht bislang davon aus, dass die Geschäftsbeziehungen des Pharmahändlers und der Apotheke von 2015 bis 2017 bestanden. Frühere Geschäftsbeziehungen seien ihrem Haus bislang nicht bekannt, sagte Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) im Interview mit Kontraste. „Wir haben bis jetzt nur den Kenntnisstand der Jahre, ich glaube, 2015 bis 2017“, so Golze. „Diese Zahlen liegen uns derzeit vor und stehen aber immer unter dem Vorbehalt des derzeitigen Erkenntnisstands.“
Golze bedauerte gegenüber Kontraste, dass die zur Aufklärung des Pharma-Skandals eingesetzte Task Force ihren Untersuchungsbericht vorlegen wird, ohne mit für den Fall relevanten Mitarbeitern des Gesundheitsministeriums und der Arzneimittelaufsicht des Landes gesprochen zu haben. „Dass wir jetzt mit den Betroffen da zum Teil nicht, oder dass die Task Force mit ihnen zum Teil nicht sprechen kann, ist sehr sehr misslich.“
Die Task Force kann mehrere involvierte Mitarbeiter nicht befragen, da diese momentan krank gemeldet, in Elternzeit oder zwischenzeitlich im Ruhestand sind. Unter den davon betroffenen Mitarbeitern sollen auch der für Lunapharm zuständige Kontrolleur sowie eine Abteilungsleiterin aus dem für die Arzneimittelaufsicht zuständigen Landesamt LAVG sein.
Die Ministerin betonte aber, dass die Aufarbeitung des Skandals nicht mit dem Bericht der von ihr eingesetzten Task Force abgeschlossen sei. Unterdessen gibt es im Fall des illegalen Handels mit den gestohlenen Krebsmedikamenten auch neue Spuren, die ins Ausland führen und auf ein pan-europäisches Netzwerk krimineller Medikamentenhändler hindeuten. Aus den Abhörprotokollen griechischer Ermittler geht Kontraste zufolge außerdem hervor, dass der Betreiber der griechischen Apotheke, ein Deutsch-Ägypter, der mittlerweile in Haft ist, offenbar auch regen Handel mit einem Unternehmen in der Schweiz betrieben hat.
Der dort ansässige Pharmahersteller Roche A, der unter anderem die von Lunapharm gehandelten Krebsmedikamente Avastin und Mabthera produziert, bestätigte Kontraste auf Anfrage, dass er im Zusammenhang mit Lunapharm in Deutschland Strafanzeige gestellt habe. Roche nehme die Informationen über den Diebstahl seiner Produkte und den unsachgemäßen Umgang mit den Arzneimitteln ernst, so das Unternehmen.
Die Task Force wird ihren Bericht am 28. August den Gesundheitsausschuss des Brandeburger Landtages vorlegen. Darin sollen die Experten unter Leitung Dr. Ulrich Hagemann, Abteilungsleiter a.D. des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), die pharmakologischen Risiken und die Abläufe der Arzneimittelkontrolle im Lunapharm-Skandal analysieren und bewerten. Mitglied der Task Force ist auch Professor Dr. Martin Schulz, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK).
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