Arzneimittelschmuggel

Lunapharm-Skandal: Neue Spuren zur Mafia

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Berlin -

Bislang war nur der vermeintliche Arzneimittelschmuggel aus Griechenland und eine unsachgemäße Lagerung bekannt. Jetzt kommen neue Informationen ans Licht. Demnach hat der Pharmagroßhändler Lunapharm womöglich auch gestohlene Krebsmedikamente aus Italien in Deutschland vertrieben. Das geht aus einem E-Mail-Verkehr hervor, der dem Tagesspiegel vorliegt. Indizien weisen auf Mafia-Kontakte hin.

Konkret betroffen ist Herceptin. Das Brust- und Magenkrebsmedikament wird in Italien nur in Krankenhäusern abgegeben. Vor einigen Jahren wurde das Medikament bereits einmal im großen Stil gestohlen. Die italienischen Behörden machten dafür die Mafia verantwortlich. Darum steht Herpectin aus Italien seit 2014 auf einer roten Liste im Warnsystem der EU-Gesundheitsbehörden. So soll der Vertrieb bestimmter Medikamente unterbunden werden.

Bei den jüngsten Durchsuchungen bei Lunapharm hatte das Landeskriminalamt Lieferlisten, Rechnungen und CDs beschlagnahmt. Sie ergaben laut Zeitungsbericht, dass das Unternehmen im Mai, Juni und Juli aus Italien stammendes Herceptin verkauft hatte. Lunapharm habe wissen müssen, dass es mit gestohlener Ware handelt – davon gehen die italienischen Behörden laut einem der Zeitung vorliegenden E-Mail-Wechsel aus. „Es bestand keine Möglichkeit, Herceptin auf legalem Weg aus Italien einzuführen“, schrieb die italienische Gesundheitsbehörde AIFA am 1. August auf eine Anfrage des Paul-Ehrlich-Instituts, des Bundesinstituts für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel. Jeder, der Herceptin aus Italien in Verkehr bringe, sei „fraglos Teil des kriminellen Netzwerkes“, so die persönliche Einschätzung des AIFA-Experten.

Die neuen Informationen könnten entscheidenden Einfluss auf das beim Verwaltungsgericht Potsdam laufende Eilverfahren gegen den Entzug der Betriebserlaubnis haben. Das Urteil wird in der kommenden Woche erwartet. Zum Ende der Woche hatte der Großhändler mit Sitz im brandenburgischen Mahlow einen überraschenden Teilerfolg erzielt. Wie der Sprecher des Verwaltungsgerichts Potsdam, Matthias Scharf, der Lausitzer Rundschau bestätigte, habe das Gericht das Landesgesundheitsministerium gebeten, den sofortigen Vollzug der Aufhebung der Betriebserlaubnis auszusetzen.

Dem kam das Ministerium bislang nicht nach. Der Bescheid sei noch immer wirksam, da er weder vom Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) aufgehoben worden sei noch eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts zum Eilverfahren vorliege, so Sprecherin Marina Ringel. „Das bedeutet: Lunapharm darf nicht herstellen oder handeln.“ Auf weitere Nachfrage bestätigte sie allerdings, dass es üblich sei, dass das Gericht bei der Zustellung eines Eilantrages dem Antragsgegner aufgebe, bis zur Entscheidung keine Vollziehung durchzuführen – und dies sei auch in diesem Fall geschehen. Nun bereite das Ministerium laut Tagesspiegel einen neuen Bescheid vor, um die Betriebserlaubnis juristisch unangreifbar zu entziehen. Dort sollen die neuen Erkenntnisse der Behörden zu den gestohlenen Krebsmedikamenten aus Italien einfließen.

Vor ein paar Tagen wurde bekannt, dass Lunapharm offenbar bis zuletzt getrickst hat. Am 20. Juli hatte das Landesgesundheitsamt (LAVG) dem Unternehmen die Betriebserlaubnis entzogen. Bei der Inspektion am selben Tag fiel allerdings auf, dass wenige Stunden zuvor ein Transport in Richtung Bayern gestartet war. „Die Aufsichtsbehörden aus Bayern haben erhebliche Abweichungen zwischen dem Lieferschein und der tatsächlich transportierten Ware festgestellt“, sagte eine Ministeriumsprecherin dem Tagesspiegel. Dies sei „ein weiterer Beleg dafür, dass die Zuverlässigkeit der Geschäftsführung“ von Lunapharm „nicht gegeben zu sein scheint“. Ob Lunapharm bei dem Transport illegal Medikamente gehandelt hat und ob es gestohlene Hehlerware aus Griechenland war, könne derzeit „nicht sicher beantwortet werden“.

Politisch unter starken Druck steht die brandenburgische Gesundheitsministerin Diana Golze (Die Linke). Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) stellte sich nach der letzten Kabinettssitzung nur noch eingeschränkt hinter Golze. In der Kritik steht insbesondere die vom Gesundheitsministerium nur mangelhaft durchgeführte Kontrolle der 68 in Brandenburg ansässigen Arzneimittelbetriebe durch das LAVG. Bei APOTHEKE ADOC melden sich ehemalige Mitarbeiter, die auf jahrelange Missstände hinweisen. Danach soll die für Arzneimittel zuständige Abteilungsleiterin, Dr. med. Gabriele Ellsäßer, ihre Amtsführung sehr eigenmächtig interpretiert haben. Bereits 2016 waren erste Hinweise aufgetaucht, dass Lunapharm mit gestohlenen Krebsmedikamenten aus Griechenland handelte.

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