Lunapharm: Fake-Profil, Importquote und Lobby-Arbeit APOTHEKE ADHOC/dpa, 12.10.2018 12:17 Uhr
Der Skandal um den Arzneimittelhändler Lunapharm zieht immer weitere Kreise. Zwar hat der möglicherweise illegale Arzneimittelhandel der brandenburgischen Gesundheitsministerin Diana Golze (Die Linke) den Posten gekostet, doch geschlossen ist die Akte noch lange nicht. Das ARD-Politikmagazin „Kontraste“ zeigte, wie dubios die Vernetzungen von Lunapharm in ganz Europa sind und wie Parallelimporteure Lobby-Arbeit leisten, um die Branche nicht in den Schatten zu stellen. Denn der Importquote haben nicht nur Apotheker den Kampf angesagt.
Der Lunapharm-Skandal erstreckt sich auf das gesamte Bundesgebiet. Auch Apotheker Johannes Loh hatte vom brandenburgischen Großhändler Ware bezogen – in gutem Glauben – und damit eine Krebsklinik beliefert. „Das Belastende für mich ist natürlich auch, dass ich Arzneimittel abgegeben habe, die illegal waren. Das hat mich sehr beunruhigt, denn die Patienten sind womöglich zu Schaden gekommen.“
Der Bericht bezieht sich auf ein exklusives Dokument der Europäischen Arzneimittelbehörde, der belegen soll, wie verzweigt das internationale Geflecht um Lunapharm ist. Quer durch Europa sei ein verdächtiger illegaler Handel zu erkennen. Der Ursprung des Handels liegt ein einer griechischen Apotheke, die bereits seit 2013 mit aus Krankenhäusern gestohlenen Arzneimitteln gehandelt haben soll.
Wie Kontraste gestern berichtete, soll der zuständige Mitarbeiter des Landesamtes für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) in einer E-Mail Lunapharm bereits im Juni 2013 mitgeteilt haben, dass der Handel mit griechischen Apotheken illegal sei. Bislang war man davon ausgegangen, dass spätestens 2017 gegen das Unternehmen hätte vorgegangen werden müssen. Das Brandenburger Gesundheitsministerium bestätigte das Schreiben.
Der Mail war eine Anfrage von Lunapharm vorausgegangen, in dem sich die Brandenburger Gesundheitsbehörde in Griechenland erkundigen sollte, ob dortige Apotheken auch ohne entsprechende Großhandelserlaubnis handeln dürfen. Der Brandenburger Mitarbeiter beantwortete diese Frage mit nein. Die griechische Arzneimittelaufsicht teilte der Brandenburger Behörde außerdem mit, man habe Lieferungen aus einheimischen Apotheken nach Deutschland und in andere Staaten festgestellt, die nicht legal seien. Ob das LAVG daraufhin Prüfungen einleitete, konnte das Gesundheitsministerium am Donnerstag nicht beantworten. „Aus heutiger Sicht und mit den heutigen Erkenntnissen kann man in diese Mail sicher vieles hineininterpretieren“, sagte eine Ministeriumssprecherin. Die Mail soll nun überprüft werden.
Über einen Fischmarkt sollen die sensiblen Medikamente über dubiose Transportwege schließlich ins brandenburgische Mahlow gelangt sein. Kontraste verfolgte die Spuren des „kriminellen Netzwerkes“ bis nach Zypern zur Firma „Gnomon“. Laut Bericht handele es sich hierbei um eine Tarnfirma, die den Arzneimittelhandel mit Scheinrechnungen verschleiern sollte. Dies gehe aus den Ermittlungsakten hervor.
In Bulgarien soll es in Sofia einen Zwischenhändler gegeben haben. Zumindest lässt dies eine professionelle Internetseite vermuten, doch in Sofia zeigt sich ein anderes Bild. Die Firma ist nicht auffindbar. „Der Lunapharm-Skandal zeigt deutlich, die Handelswege von Arzneimittelimporteuren sind nicht zu kontrollieren.“ Denn auch in der Slowakei soll es ein Netzwerk um Lunapharm gegeben haben. Anscheinend wurden aus Brandenburg an zwei slowakische Zwischenhändler Arzneimittel ausgeliefert, die die Ware an den Importeur NMG mit Sitz in Bonn weitergeleitet haben sollen. Von dort aus wurden die Arzneimittel wieder an Lunapharm geliefert.
„Intransparenz auf allen Seiten. Die NMG Pharma in Deutschland – hier die Zentrale - schweigt zu unseren Fragen“, so der Beitrag. „Dabei musste der Händler kürzlich mehrere sensible Arzneien vom deutschen Markt zurückrufen, wegen Unstimmigkeiten in der Lieferkette.“ NMG hatte mit etwa elf Kassen – verschiedenen AOKen, KKH, Pronova BKK, TK, DAK und der Barmer – sogar Rabattverträge geschlossen. Nach dem ersten Kontraste-Bericht hätten acht Kassen – außer zwei AOKen und die Barmer – die Verträge gekündigt.
Der Gesetzgeber macht also den Importhandel überhaupt möglich. Denn laut Sozialgesetzbuch sind Apotheker zu Abgabe von preisgünstigen importierten Arzneimitteln verpflichtet. Einen Fakt den Apotheker Dr. Franz Stadler seit langem kritisiert. Die Rede ist von der Importquote, wird diese nicht erfüllt, werden Apotheker finanziell bestraft. „Diese Medikamente sind empfindlich für Temperatur, mechanischen Stress und ähnliche Sachen und niemand braucht das, dass es einfach noch drei, vier Mal umgepackt wird und verschiedene Ländergrenzen überschreitet. Das ist nicht notwendig.“
Die Lobby der Arzneimittelimporteure arbeite auf Hochtouren. Kassen würden dank der Importquote große Einsparungen erzielen. Dem widerspricht der Vorstandsvorsitzende der AOK Baden-Württemberg Christopher Hermann: „Die Importquote muss weg.“ Bei einem Arzneimittelumsatz von 2,1 Milliarden Euro hätten die Kassen dank der Importquote lediglich sieben Millionen Euro eingespart. Hermann spricht von einer Einsparung im Promillebereich. „Und für die Gefahren, die damit verbunden sind, steht das in keinem Verhältnis.“
Das Paul-Ehrlich-Institut bestätigt in einer Studie, dass die Zahl der Arzneimittelfälschungen mit dem Importhandel deutlich angestiegen sei. Es seien mehr gestohlene Arzneimittel in Umlauf gelangt. Dabei sei die Herkunft der Medikamente durch die nationalen Behörden kaum noch nachvollziehbar.
Die Parallelimporteure halten dagegen, der Importhandel sei sicher. Allen voran versuchen laut Bericht Kohlpharma und Eurim-Pharm, den Skandal herunterzuspielen. Die Lobbyarbeit läuft auf Hochtouren, so die Kontraste-Reporter. Bundestagsabgeordnete würden persönlich kontaktiert und so wurden Einladungen zu einem Informationsfrühstück in der Vertretung des Saarlandes geladen.
Das sich die Importeure wehren ist für Hermann verständlich. „Die Lobby ist sehr aggressiv, was man verstehen kann insoweit aus deren Sicht wird ein ganz sicheres Geschäftsmodell sozusagen infrage gestellt. Man kann günstig im Ausland einkaufen und mit hohem Gewinn in Deutschland mit hundertprozentiger Sicherheit wiederverkaufen. Das will man mit Zähnen und Klauen verteidigen.“
Die Macht der Händler bekommt auch Apotheker Stadler zu spüren. Zwei Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen hat der Apotheker erhalten – von Kohlpharma und Eurim-Pharm.