Lieber Buchstaben als Mumien Silvia Meixner, 16.01.2019 15:16 Uhr
Er arbeitete mit Mumien und Krebsaugen – wie das in Apotheken damals üblich war. Eine neue Ausstellung im brandenburgischen Apothekenmuseum in Cottbus beschreibt Theodor Fontanes Weg als Apotheker. Die Ausstellung eröffnet den Reigen zum 200. Geburtstag des berühmten Schriftstellers. In Berlin gibt es ein besonderes Schmuckstück aus Fontanes Leben zu sehen: Die Apotheke, in der er einst arbeitete.
Heute eröffnet in Cottbus die kleine Ausstellung, parallel dazu erscheint das Heft „Zur Geschichte der deutschen Apotheke – Ein Vademecum.“ Museumsleiterin Annette Schiffner sagt: „Wir präsentieren in der Ausstellung den Werdegang Fontanes und die Stationen seiner Lehre. Das Dichterische lassen wir mit Absicht weg.“ Es soll nur um Fontane als Mann der Offizin gehen. Im Sommer soll die Ausstellung im Kräutergarten ergänzt werden, dann werden jene Pflanzen besonders gekennzeichnet, die Fontane in seinen Romanen erwähnte – darunter Stiefmütterchen, Gundermann, Wacholder, Schafgarbe und Fingerhut.
„Wir zeigen in der Ausstellung Raritäten, mit denen er gearbeitet hat, darunter sind Krebsaugen, Siegelerde und eine echte Mumie, die sich in einem Gefäß befindet“, erzählt die Museumsleiterin. Mumienpulver (Pulvis mumiae) wurde bis in die 1920er-Jahre als Heilmittel verwendet, die Substanz bestand aus zermahlenen ägyptischen Mumien. Dem Pulver wurden heilende und magische Kräfte nachgesagt, es sollte so gut wie gegen alle Beschwerden helfen. Patienten rieben es auf die Haut, gaben es direkt auf die Wunde oder schluckten es.
Im Jahr 1574 schrieb der Frankfurter Arzt Joachim Strüppe über echte ägyptische Mumien: „Man rühmt sie sehr, das geronnene Gebblüt und die Geschwulst zu zertheilen, und sie soll nicht bloß vermöge ihrer bituminösen und balsamischen Theile, sondern auch vermöge des flüchtigen Salzes wirken.“ Er empfahl 12 bis 24 Tropfen und riet Apothekern, beim Kauf unbedingt darauf zu achten, dass die Mumie nicht nur Knochen, sondern auch „Fleisch“ hatten. „Je schöner und balsamischer der Geruch ist, desto höher schätzt man die Ware.“ Krebsaugen wurden früher gemahlen als Heilmittel gegen erhöhte Magensäure und Sodbrennen eingesetzt.
Apotheker Fontane hat wohl auch die medizinischen Möglichkeiten von Mumien und Krebsaugen geschätzt und in den Offizinen, in denen er seinen Dienst versah, angepriesen. Geboren wurde er am 30. Dezember 1819 in Neuruppin als Sohne des Apothekers Louis Henry Fontane. Und wer weiß, was aus ihm geworden wäre, hätte dieser nicht eine fatale Leidenschaft zum Kartenspiel Whist gehabt – und auf diese Weise sein Vermögen verloren. Für Sohn Theodor gab es also keine Apotheke zu erben. Im Alter von 15 Jahren ging Fontane nach Berlin, zuerst besuchte er eine Gewerbeschule, dann absolvierte er eine Apothekerlehre in der Apotheke zum Weißen Schwan.
„Er besteht die Prüfung, hat dann ein kurzes Intermezzo in einer Apotheke in Burg bei Magdeburg, wo er nur ein paar Monate arbeitet“, erzählt Museumsleiterin Annette Schiffner. „Danach bewirbt er sich in der Leipziger Hofapotheke zum Weißen Adler.“ Von April 1841 bis Februar 1842 arbeitete er dort als Apothekergehilfe.
Fontane erkrankte an rheumatischem Fieber und wechselte nach seiner Gesundung in die Salomonis-Apotheke in Dresden. Als er zum Militärdienst musste, kehrte er zurück zu seinem Vater nach Letschin, absolvierte sein Pflichtjahr und bereitete sich auf seine Apothekerprüfung vor. „Er hat die Prüfung als Apotheker erster Klasse bestanden“, sagt Schiffner.
Am 30. September 1849 beendete Fontane seine Tätigkeit in der Offizin – er wollte sich künftig nur dem Schreiben widmen. Er wurde Journalist, zunächst im preußischen Staatsdienst, dann arbeitete er als Zeitungsredakteur, schließlich als Theaterkritiker. Ab 1861 erschienen seine „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Richtig berühmt und anerkannt wurde er erst mit seinen späten Romanen, insbesondere mit Effi Briest" (1892). Nur in einen seiner Romane kommt ein Apotheker vor: In „Effi Briest“ wird Dr. Alonzo Gieshübler der Vertraute der Romanheldin.
Wer sich auf die Spuren Fontanes begeben möchte, kann in Berlin die historische Fontane-Apotheke im Kunsthaus Bethanien besuchen (nur nach Voranmeldung). „Rund 80 Menschen besuchen die Apotheke in normalen Monaten“, sagt ein Sprecher des Museums, „in diesem Jahr rechnen wir mit größerem Interesse, weil das Fontane-Jahr überall angekündigt wird.“ Das Museum bietet Extra-Führungen an und plant im März zwei Fontane-Lesungen.
Auch die Löwen-Apotheke in Neuruppin lohnt einen Besuch. Sie befindet sich im Geburtshaus Theodor Fontanes und wurde im Jahr 1698 eröffnet. In den Jahren 1819 bis 1826 gehörte sie seinem Vater Louis Henry – jenem Mann, der so gern Karten spielte, sein Vermögen verlor und der Welt dadurch einen großen Dichter bescherte. Denn mit einem erklecklichen Erbe wäre Fontane vielleicht ja in der Offizin geblieben...